Wie Marc Christian sich entschlossen hat seinen alten Beruf an den Nagel zu hängen und in die Eventgastronmie einzusteigen, erzählt er mir im Interview. Außerdem lernen wir warum eine große Küche nicht immer ein Vorteil sein muss und was ihn an fremden Kulturen besonders interessiert.

Im Gespräch mit Marc Christian – Meatingraum

von | Mai 12, 2017 | Im Gespräch mit...

Marc Christian betreibt seit 1 1/2 Jahren den Meatingraum in München. Der kleine gemütliche Laden liegt im Herzen des Münchner Westends, einem Viertel in dem es noch viele kleine Läden und Cafés gibt. Wenn man den Laden betritt, hat man gleich Lust die Schürze umzubinden und mitzuwerkeln. 30 Personen finden dort Platz und können sich von Marc Christian bekochen lassen oder bei einem seiner Kochkurse selbst das Messer schwingen.

omoxx: Hallo, vielen Dank, dass ich heute vorbeikommen durfte.

Marc Christian: Sehr gern, es freut mich, dass du dich dafür interessierst was ich mach.

Ich war schon mal vor zwei Wochen hier und habe mich von dir bekochen lassen. Das war sehr fein – jetzt will ich gerne mehr von dir erfahren.

Dann habe ich irgendwas richtiggemacht, das finde ich gut, das freut mich – ich bin bereit.

Du siehst sehr entspannt aus

Das bin ich.

Immer?

Ich bin meistens entspannt, weil ich auch irgendwann in meinem früheren beruflichen Leben gecheckt habe, dass der richtige Stress immer der ist, den man sich selber macht. Wenn man das einfach nicht mehr zulässt und das „wegatmet“, dann geht es einem insgesamt viel besser. Da hab ich aber auch eine Zeitlang gebraucht, um das zu begreifen.

Du hast ursprünglich nicht als Koch gearbeitet.

Ich habe keine klassische Kochlehre absolviert – ich bin durch die Kochlehre des Lebens gegangen. Das Kochen war immer ein wichtiger Teil meines Lebens, aber nicht meines beruflichen Lebens. Ursprünglich hab ich Kommunikationswissenschaft, interkulturelle Kommunikation und Psychologie studiert – und das sogar fertig (lacht).

Die Supperclubs hab ich in meinem Wohnzimmer oder in den Wohnungen von Bekannten veranstaltet.

Du hast schon sehr früher Supperclubs veranstaltet.

Genau, stimmt, das war 2004, ich mit einem Freund und Kollegen einen kleinen Weinhandel gegründet, so als Kellerweinladen – hauptsächlich mit der Intension selber günstig zu saufen.
Wir haben dort Weintastings organisiert und ich hab dazu gekocht. Irgendwann wurden das dann Partys und dann wurde die Sache eine Stufe professioneller. Irgendwann hat sich dann diese Weingeschichte etwas reduziert und ich hab mich mehr und mehr für das Kochen und das Kulinarische interessiert.
Die Supperclubs hab ich in meinem Wohnzimmer oder in den Wohnungen von Bekannten veranstaltet.

Für wie viele Leute hast Du da gekocht?

Bis zu 20 Leute – noch überschaubar, aber für eine Person schon etwas Arbeit.

Da ist man in einer kleinen Haushaltsküche ganz schön gefordert.

Ja, aber man lernt darin die Organisation. Man lernt in einer kleinen Küche einen gewissen Minimalismus, man muss sich konzentrieren auf das, was man wirklich braucht, und man lernt seinen Arbeitsplatz sauber zu machen, weil man ansonsten einfach nicht weiterkommt. Eine große Küche ist da gar kein so großes Glück, da musst du hinterher mehr aufräumen.

Ich habe hier auch nur eine erweiterte Haushaltsküche und keine Profiküche – man lernt da tatsächlich diese Form der Organisation

Das ist ein ganz guter Tipp, den ich auch mal selber beherzigen sollte.

Bei den Kochkursen, die ich hier veranstalte, ist das tatsächlich einer der Erfolgspunkte, weil die Leute herausgehen und sagen „Stimmt, das geht in meiner Küche ja auch.“ Ich habe hier auch nur eine erweiterte Haushaltsküche und keine Profiküche – man lernt da tatsächlich diese Form der Organisation. Es geht auch auf kleinem Raum.

Was war für Dich der entscheidende Moment, wo du gesagt hast: Ich will das jetzt zu meinem Beruf machen?

Mich hat das, was ich in meinem damaligen Job gemacht habe, schon einige Jahre angenervt, und da habe ich begonnen darüber nachzudenken, wie könnte mir Gastronomie Spaß machen, ohne ein Restaurant zu eröffnen. Was ich nie wollte, deshalb habe ich auch keine Kochlehre gemacht, war das klassische Berufsbild eines Kochs. So gerne ich koch und Kochen liebe, jeden Tag 16 Stunden eine Karte kochen zu müssen, die, wenn ich angestellter Koch bin, noch nicht mal von mir stammt, das wäre meine Vorhölle.
Mit einem Kollegen habe ich dann dieses Konzept entwickelt für einen eventgastronomischen Ansatz. Ich wollte viele unterschiedliche Dinge tun, diese Supperclub Idee wollten ich als Dauer-Popup professionalisieren und als feste Einrichtung etablieren. Nebenbei mache ich Veranstaltungen für Firmen und Privatpersonen und veranstalte Kochkurse.

Ich war hier das letzte Mal beim Mellow Monday zu Gast. Was ist das?

Beim Mellow Monday geht es darum, entspannt in die letzte Monats Woche zu starten. Er findet immer am letzten Montag im Monat statt.
Montag gilt ja, wahrscheinlich vor allem dank Garfield, als der Scheißtag der Woche. Aber das muss er ja gar nicht zwingend sein.
Beim Mellow Monday war die Idee, eine Veranstaltung zu schaffen, bei der man den Meatingraum relativ günstig kennenlernen kann. Es gibt ein Überraschungsmenü mit mindestens drei Gängen und die Getränke sind inklusive.
Ich koche an dem Abend mit dem, was da ist, oder was ich an dem Tag gerade sehe und Lust hab zuzubereiten. Für mich ist das so eine Art „Ausprobier-Küche“, wo ich Dinge testen kann.

Zu jedem englischen Slang gibt es eine passende Küche

Auf deiner Website habe ich gelesen, es gibt bei Dir „Englischstunden“…

Das sind die Veranstaltungen, die ich mit meinem Partner zusammen mache. Sven Kemmler heißt der gute Mann und der ist Kabarettist und Autor und er hat ein Programm, das „Englischstunde“ heißt. Da geht es um die unterschiedlichen Slangs des Englischen auf der Welt.
Bei den „Englischstunden“-Abenden, die man hier bei uns buchen kann funktioniert es so, dass es zu jedem Teil des Programms, zu jedem englischen Slang eine passende Küche gibt.
Auch Thai-Englisch ist mit drin, da gibt es einen Thaigang, so geht es dann einmal rund um die Welt.

Du bist leidenschaftlicher Koch, für wen würdest Du am allerliebsten kochen? Wer ist dein Traumgast?

Also am liebsten koche ich tatsächlich für meine Freundin. Weil die extrem experimentierfreudig ist, was Essen angeht. Sie ist ähnlich foodie-nerdig wie ich. Man kann mit ihr hervorragend angstfrei verreisen, irgendwo an der Straße was futtern, total entspannt – großartig, deshalb koche ich sehr gern für sie.

Wie hast du dir das Kochen beigebracht?

Ich hab angefangen zu kochen, da war ich ungefähr 14, ich war im Schulchor und wir sind einmal im Jahr auf Chorfreizeit gefahren und mussten uns selbst verpflegen. Den Dosenfraß, was der Rest von dem Pack mitgeschleppt hat, fand ich ungenießbar, und da hab ich angefangen zu kochen. Ich dachte mir, das kann ja nicht so schwer sein, und hab angefangen mit so ganz einfachen Gerichten und hab mich durch ein paar Basickochbücher durchgekocht.

Irgendwann hat es „Klack“ gemacht und ich habe kapiert, wie’s funktioniert.

Irgendwann hat es „Klack“ gemacht und ich habe kapiert, wie’s funktioniert. In der Zeit habe ich mich um die Wissenschaft des Kochens informiert, was passiert beim Kochen eigentlich,
was ist die Maillard-Reaktion, was passiert, wenn man ein Steak anbrät und warum ist es ein Unterschied beim Spiegelei, wenn man es langsam anbrät anstatt schnell. Wenn man die Basis mal so halbwegs kapiert hat, fällt einem der Rest sehr viel leichter. Bei einem Braten muss ich nicht mehr hoffen, dass er gut wird – natürlich wird der Braten gut, wenn er bei der richtigen Temperatur drin ist.
Später kamen dann die unterschiedlichen Aromen. Ab da musste ich nicht mehr Probekochen, weil ich das ganz gut im Kopf komponieren konnte – aber das ist noch nicht so lange her, dass ich da eingestiegen bin, vielleicht 10 Jahre. Aber jetzt hab ich das Gefühl – ich kann’s.
Die nächste Herausforderung war, die Küchenorganisation hinzubekommen. Wie koche ich für 20 Leute sechs Gänge, so dass jeder Gang abgestimmt zu richtigen Zeit fertig ist, das muss man auch erst mal verinnerlichen.

Hast du mal ein Praktikum in einer Küche gemacht?

Ich hab in meinem Leben zwei Kochkurse gemacht. Der eine war Molekularkochkurs, das war sehr spannend, und der andere war ein Knödelkochkurs in der Knödelei.

Hast Du ein Lieblingsgericht?

Ach pfff… es gibt da ein paar Gerichte aus meiner Kindheit, die so Evergreens sind. Die werde ich nie so hinbekommen wie meine Oma. Das eine sind ganz einfache Kartoffelpuffer, die niemand so gemacht hat wie meine Oma, die sind sensationell – eine Mischung aus gekochten und rohen Kartoffeln und Lauch. Das andere Gericht, ist auch von meiner Oma, mit Hackfleisch gefüllte Schmorgurken mit Tomatensauce. An denen hab ich mich echt schon abgearbeitet, ich hab auch was hinbekommen, was echt lecker war, aber das war nie so wie bei meiner Oma.

Onsen-Eier sind sensationell

Ein anderes Lieblingsgericht, was es auch an dem Mellow Monday gab, als du dabei warst, sind diese Onsen-Eier – sensationell – ich bin ein großer Freund des Eis, vor allem des Dotters, und es gibt keine bessere Konsistenz als diesen Onsen-Dotter. Das auf einem frischen getrüffelten Kartoffelpüree mit einem frisch gehobelten Trüffel im Herbst, ist pures Glück. Einfach toll.

Wenn ich jetzt Hunger hätte, was könntest du mir jetzt was kochen? Gibt es Basics in deinem Vorratsschrank, die immer da sind?

Ich hätte gerade ein selbst gedryagetes Stück Rinderlenden da …

…das hat natürlich immer jeder im Kühlschrank.

Ok, das ist jetzt Zufall, aber tatsächlich hab ich ganz wenige Standards, die immer da sein müssen. Immer da sind Eier, und irgendwas mit Eiern kann ich dir immer kochen. Ein Omelett, ein Rührei, Spiegeleier, pochierte Eier, versenkte Eier, Eier im Glas – ein Eiergericht geht immer.

Angstfrei in fremden Kulturen essen

Was fasziniert Dich am Kochen, was motiviert Dich?

Ich finde, dass Essen eines der sinnlichsten Erlebnisse ist, das es gibt. Essen ist ein ganzheitliches kulturelles Erfassen der Umwelt. Es ist für mich mehr als ein Sattwerden.
Das Essen ist ein Schlüssel zu ganz vielen Kulturen. Gerade in Asien erschließt sich die Welt so tief und stark über das Essen. Der Chinese sagt zum Beispiel nicht guten Tag, sondern „hast du schon gegessen?“. In ganz vielen Kulturen ist Essen das wesentliche. Wenn ich auf Reisen bin finde ich es am spannendsten, über das Essen in die Kultur einzutauchen.
Man kann mit Essen ein politisches Statement setzen, in der Art und Weise, wie man seine Zutaten beschafft – Essen ist eine politische Handlung. Für mich ist es traurig zu sehen, wie mit Essen umgegangen wird, wie viel Essen weggeworfen wird, wie viel von geschlachteten Tieren weggeworfen wird, weil die Leute nicht mehr wissen, wie man Innereien zubereitet – deshalb gibt es bei mir auch keine Filets.

Vielen Dank für die Einladung und das Gespräch, du hast das letzte Wort:

Esst Freunde, esst! Angstfrei in fremden Kulturen essen finde ich total wichtig. Wenn man das noch nicht kann, sollte man es sich erarbeiten.

Der Mellow Monday findet jeden letzten Montag im Monat statt. Weitere Informationen zum Meatingraum gibt es auf der Website: www.meatingraum.de