Ein Interview mit Yoshiko Ueno-Müller und Joerg Müller

Sake – der lange Weg nach Deutschland

Sake ist nicht nur ein wundervolles Genussmittel, sondern auch ein wichtiger Teil der japanischen Kultur und spiegelt wie kaum ein anderes Getränk die Lebensqualität Nippons wieder. Doch auch wenn das Getränk der Götter bei uns in Deutschland vielfach noch unterschätzt und missinterpretiert wird, hat es angefangen, seinen Platz bei Connaisseuren, Foodies, Japanliebhabern und in der Spitzengastronomie zu erobern. Grund genug für uns ein Interview mit zwei der bekanntesten deutschen Sake-Experten zu führen.

Das Lebensgefühl Sake

Jeder, der in welcher Form auch immer, eine Verbundenheit zu japanischen Ess-und Trinkkultur hat, kommt an dem Thema Sake (Nihonshu) einfach nicht vorbei. Wir bei omoxx sind schon seit vielen Jahren bekennende Sake-Fans und versuchen immer wieder auch andere von diesem vielschichtigen Getränk zu überzeugen.

Doch auch wenn wir echte „Sake Lovers“ sind und ein ganz passables Know-how rund um das Thema Nihonshu aufgebaut haben, gibt es in Deutschland „echte“ Sake-Experten. Zwei von ihnen sind Yoshiko Ueno-Müller und Jörg Müller, Geschäftsführer und Eigentümer von UENO GOURMET – seit 2005 der führende Anbieter von Premium Sake in Europa. Das Ehepaar aus dem Taunus hat sich seit mehr als einem Jahrzehnt dem Thema Sake verschrieben. Wir haben uns in den Taunus aufgemacht, um einen tollen Abend mit deutsch-japanisch inspirierten Essen und natürlich mit Sake zu verleben. Ach ja, ganz nebenbei haben wir auch noch ein kleines Interview geführt.

Über Yoshiko Ueno-Müller

Die gebürtige Tokioterin Yoshiko Ueno-Müller lebt seit mehr als 25 Jahren in Deutschland und hat hier, 9.000 Kilometer weit entfernt von Ihrer Heimat, Ihre Leidenschaft für Premium Sake entdeckt. Die „Sake-Samurai“, „Master of Sake“ und Buchautorin sieht ihre Leidenschaft in der Harmonie des europäischen und japanischen Genusses. Yoshiko Ueno-Müller ist IHK geprüfte Sommelieré, Sake Expert Assessor (NRIB) sowie die erste weibliche, nicht in Japan lebende Person, die die Prüfung zum „Master of Sake Tasting“ bestanden hat. Als Mitglied von Slow Food sowie der Sommelier Union Deutschland geht sie ihrem Engagement für die Japanische Genusswelt nach. Für Ihre Verdienste um die Förderung der Sake-Kultur wurde sie im Oktober 2011 vom Verband der Sake-Brauer zum SAKE SAMURAI ernannt. Vom Auswärtigen Amt Japans erhielt sie 2015 die besondere Auszeichnung für die Vertiefung des kulturellen Austausches zwischen Japan und Deutschland.

Über Jörg Müller

Der in Lübeck geborene Jörg Müller ist seit einem Studienaufenthalt in Japan vom Genuss japanischer Speisen und Getränke begeistert und ein leidenschaftlicher Förderer der japanischen Genusskultur. Als Weinberater, Sake-Sommelier und zertifiziert durch die Sake & Shochu Academy bringt Jörg Müller heute seine Freude an Premium Sake sowie seine Expertise über das japanische Volksgetränk anderen Genussliebhabern näher. Er engagiert sich als Mitglied von Slow Food sowie der Sommelier Union Deutschland.

omoxx: Was war den euer erster Kontakt mit Sake und wann habt ihr das erste Mal bewusst Sake war genommen?
Yoshiko Ueno Müller: Sicherlich nicht in der Babyflasche [lacht]. Mein erster Kontakt mit Sake war eher negativ behaftet. Meine Mutter bzw. meine Eltern haben mich zu einer Trinkrunde mitgenommen – ich war damals zwölf – und es gab heißen Sake. Eine Freundin hat mir damals einen kleinen Becher nur zum Riechen gegeben und ich fand den Geruch einfach nur komisch. Der nächste Kontakt war dann zu Unizeiten, da war ich so 18, 20 Jahre alt und es gab wieder heißen Sake und er schmeckte mir nicht. Ja, mir ist damals sogar davon schlecht geworden. Aber wir reden hier von Industriesake. Erst als ich mir 24 Jahren nach Deutschland gekommen bin, habe ich Sake anders und ganz bewusst wahrgenommen. Meine Familie kommt aus Niigata, der Westküste Japans, ein „Königreich von Sake“, wo viel Sake produziert und getrunken wird. Irgendwann schickten sie mir sehr guten Sake, trocken, klar – einfach schön zu genießen und damit hat meine Leidenschaft irgendwie angefangen…und so bin quasi ein Fan geworden. Aber richtig guten Sake habe ich erst nach der Jahrtausendwende getrunken.
Jörg Müller: Ich habe wahrscheinlich sogar früher als meine Frau „guten“ Sake kennengelernt und zwar 1988 als ich das erste Mal in Japan war. Ich war ein halbes Jahr dort, um meine Diplomarbeit zu schreiben und wurde dann abends auch mal von Kollegen zum Sake trinken eingeladen und das fand ich sehr angenehm. Ich habe sehr früh Zugang zu dem angenehmen Geschmack von Sake gefunden.

Kulturaustausch zwischen Japan und Deutschland

omoxx: Sake ist ja heute ein wichtiger Teil eures Lebens. Wann habt ihr euch dazu entschieden, Sake auch beruflich in den Mittelpunkt zu stellen, das heißt beispielsweise Sake nach Deutschland zu bringen, einen Vertrieb aufzubauen und so weiter?
Yoshiko Ueno Müller: Das kam eigentlich ganz plötzlich im Jahr 2005. Nach 14 Jahren im Angestelltenverhältnis als Controllerin, wollte ich etwas Eigenständiges machen. Und am Anfang war es auch nicht eine gemeinsame Überlegung oder ein gemeinsames Projekt. Mein Ziel war es zum Kulturaustausch zwischen Japan und Deutschland beizutragen. Für mich stand hierbei die Esskultur im Vordergrund. Doch auch wenn ich leidenschaftliche gerne koche, wusste ich, dass ich damals mit 40 Jahren nicht eine Karriere als Koch anstrebe und damit Geld verdienen möchte. Und dann kam ich auf die Idee mit Sake und ich dachte mir, es wäre ganz einfach, ein Stück dieser japanischen Kultur nach Deutschland zu bringen und guten Sake hierhin zu importieren. Allerdings ganz so einfach war es dann doch nicht, auch wenn Sake ein fertiges Produkt in Flaschen mit einer langjährigen Geschichte ist. Aber bis dato hatte es keiner in Deutschland gemacht und so habe ich mir gedacht, ICH MACHE ES.
omoxx: Habt ihr entschieden es von Anfang an zusammen zu machen?
Jörg Müller: Am Anfang war es das Geschäft von meiner Frau. Aber natürlich habe ich es immer ein bisschen mitgetragen und unterstützt. Allerdings wurde ich mit der Zeit immer neidischer, als ich gesehen habe, wieviel Spaß sie bei ihrer Arbeit hat [lacht]. Irgendwie hat mich das alles auch immer sehr positiv begleitet und wir haben gesehen, dass sich daraus ein Geschäft entwickeln lässt. Dies wurde dann immer deutlicher und nach fünf Jahren habe ich dann gesagt, entweder wir müssen jetzt jemanden einstellen oder ich stelle mich selber ein. Und dann habe ich mich, wie gesagt selber eingestellt und mache seitdem „komplett“ mit.
Yoshiko Ueno Müller: Nach vier Jahren Geschäftsaufbau habe ich so viel Umsatz gemacht, wie ich zuvor als Controllerin verdient habe und konnte mir noch nicht einmal ein Gehalt auszahlen. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass ich anfangs skeptisch war, als Jörg erklärt hat, ok ich mache mit. Die Jahre 2009 bis 2011 waren dann auch nicht immer so ganz einfach.
omoxx: Was sehr ihr als die größte Herausforderung, wenn es um das Thema Sake / Nihonshu geht?
Jörg Müller: Die größte Herausforderung besteht darin, das Produkt auf eine positive Art und Weise bekannt zu machen. Viele Leute haben ein diffuses Bild von Sake im Kopf, ohne das konkret belegen zu können. Es gibt ein gewisses schwieriges Image und dagegen müssen wir ankämpfen.

Sake hat ein schwieriges Image

Yoshiko Ueno Müller: Dazu gehören Vorurteile, wie beispielsweise, Sake ist Schnaps oder Sake muss heiß getrunken werden. Und selbst einige Sommeliers denken immer noch, dass Sake Schnaps ist, welcher nur zur japanischen Küche passt. Diese Vorurteile umzukehren und mit guten Produkten zu punkten ist die besondere Herausforderung.
omoxx: Habt ihr schon mal Sake getrunken, wo ihr gesagt habt, der schmeckt uns überhaupt nicht? Ich meine auch im Premiumbereich, also nicht den einfachen Tafelsake.
Jörg Müller: Es gibt immer Produkte, die einem besser schmecken und Produkte, die einem weniger schmecken, das ist normal. Es gibt aber auch Sake, wo Fehler drin sind, richtig gravierende Fehler, die einem dann wirklich nicht mehr schmecken. Allerdings ist dies eher die Ausnahme. Bei anderen denkt man sich vielleicht, der ist jetzt eher uninteressant aber nicht notwendigerweise schlecht.
omoxx: Wie findet ihr die Produkte und wie selektiert ihr die Sachen, die ihr verkauft?
Jörg Müller: Zum einen, es gibt zahlreiche Tastings in Japan, wo sehr viel Sake angeboten wird. Mittlerweile gibt es sogar auch Tastings in Europa. In Paris beispielsweise gibt es einen „Salon du Sake“ oder auch in London findet einmal im Jahr eine Sakeverkostung statt. Ansonsten passiert auch viel über Empfehlungen. Wir arbeiten hier mit Produzenten zusammen, welche schon eine gewisse Idee haben, was sich machen möchten und wo wir verstehen, was sie wollen. Und manche empfehlen uns auch andere Brauereien, nach dem Motto: „Hey, da gibt es noch einen anderen Kollegen, der auch einen sehr guten Sake macht. Schaut euch den doch auch mal an, der ist auch nicht schlecht.“ Das ist auch sehr wichtig, dass man darüber Sake kennenlernt.
Yoshiko Ueno Müller: Manchmal auch über Zeitschriften… Ich bin fünf bis sechsmal im Jahr in Japan und dann spreche auch mit den Journalisten, Freunden oder Sake-Kennern, welcher Sake im Moment in Japan gut geht und trendy ist. Oder man geht zu einem Izakaya und lässt sich einen Sake empfehlen. Aber ich verfolge nicht nur Trends sondern schaue auch, welcher Sake für den europäischen Markt interessant sein könnte.
Jörg Müller: Das ist auch noch ein wichtiger Punkt. Den Sake, den wir einkaufen / importieren, nehmen wir mit europäischer Zunge wahr. Wir suchen nicht irgendetwas, was ein Japaner produziert, weil er meint, dass das gut ist, sondern etwas bei dem wir glauben, dass es hier den Geschmack trifft.

Welche Sake bevorzugen die Deutschen?

omoxx: Heißt das auch, dass man in Deutschland andere Sake trinkt als beispielsweise in Frankreich?
Yoshiko Ueno Müller: Nicht unbedingt, die europäischen Geschmäcker sind schon sehr ähnlich und es gibt viele gute Sake, die in Europa gut angenommen wird. Für uns ist es wichtig, dass wir unser Portfolio „sinnvoll“ ergänzen. Das heißt, dass wir nicht unbedingt einen neuen Sake in unser Angebot aufnehmen müssen, wenn dieser geschmacklich ähnlich zu bereits von uns angebotenem Sake ist – auch wenn diese Brauerei in Japan gerade sehr begehrt ist. Wir sind sehr selektiv, wie eine Boutique und uns ist es wichtig, dass wir nur Sake aufnehmen, die in unser Bild passen.
Jörg Müller: Wir kaufen von weit über 30 Produzenten ein; das macht sonst kein europäischer Importeur. Das ist schon eine sehr große Menge. Damit nehmen wir auch im deutschen Markt eine geschmackliche Vorreiterrolle ein. In Frankreich – davon bin ich überzeugt – ist die Geschmacksvielfalt bei Sake nicht so groß.
omoxx: Yoshiko-san, ich habe dich ja in unsere letzten Sake-Artikel als „Sake-Raumfahrerin“ bezeichnet. Gibt es für dich im großen „Sake-Universum“ immer noch Dinge zu erforschen oder sagst du, du kennst im Grunde genommen schon alles?
Yoshiko Ueno Müller: Es gibt ständig neue Dinge zu erforschen. Allerdings muss man dabei aufpassen, dass man nicht die wirtschaftlichen Interessen aus dem Auge verliert, insbesondere dann, wenn das Sortiment größer wird. Bei uns ist Frische und Verfügbarkeit sehr wichtig. Auch wenn die Sortimentsgröße zunimmt, müssen wir dieses gewährleisten können, was allerdings auch wirtschaftlich getragen werden muss. Auf der anderen Seite bin ich regelmäßig in Japan und finde hier oft neue und interessante Produkte, die ich gerne in unser Portfolio aufnehmen möchte. Es gibt dann manchmal einen innerlichen Konflikt. Nichtsdestotrotz nehmen wir pro Jahr im Schnitt etwa zwei bis drei neue Brauereien (mit insgesamt etwa fünf bis sechs verschiedenen Sake) zusätzlich in unser Produktsortiment auf. Das bedeutet allerdings auch, dass man pro Jahr mit einer Umsatzsteigerung von ca. 20 bis 30 Prozent kalkulieren muss, was schon eine Herausforderung darstellt.
omoxx: Wie sehen es denn japanische Brauereien und Produzenten, wenn ihr sagt, wir würden gerne eure Produkt nach Deutschland bringen? Rennt ihr da offene Türen ein oder haben viele Angst, dass die japanische Kultur abhandenkommt? Oder ist es sehr unterschiedlich?
Jörg Müller: Die meisten Produzenten möchten gerne ihre Produkte international exportieren. Es ist zurzeit sogar so, dass mehr exportieren möchten als wir aufnehmen können. Der Druck hier auf den deutschen Markt nimmt aus dieser Richtung zu und das ist dann nicht immer einfach. Auf der anderen Seite gilt aber auch: nicht alle, die man gerne im Sortiment haben möchte, bekommt man auch.
Yoshiko Ueno Müller: Wir bekommen viele Anfragen, auch nach dem Motto, in Japan wird der Markt, aufgrund seiner demographischen Entwicklung immer kleiner, deshalb möchten wir gerne ins Ausland verkaufen. Allerdings ist das nicht immer einfach, denn das, was in Tokio nicht verkauft wird, wird bestimmt auch nicht im Ausland laufen. Hinzu kommt, viele möchten zwar gerne ins Ausland exportieren, wenn man dann jedoch ins Detail geht und bestimmte Anforderungen erhebt, dann werden die Diskussionen komplizierter und einige sind dafür auch (noch) nicht bereit. Beispiele dafür können Anpassungen des Flaschenetiketts oder die Bereitstellung von druckfähigem Bildmaterial sein. Manchmal müssen wir hier dann auch erzieherisch wirken [lacht].

Wann kommt der Sake Trend nach Deutschland?

omoxx: Wir sehen für Sake ja schon ein wachsendes Interesse in den USA. Glaubt ihr das Deutschland und Europa bei diesem Thema irgendwann mal auch eine bedeutende Rolle einnehmen wird und dass das wachsende Interesse auch zu uns herüberschwappt?
Jörg Müller: Der amerikanische Markt ist natürlich ziemlich groß und sogar der größte Auslandsmarkt für Sake (noch vor China). Aus diesem Grund gibt es für Europa natürlich noch viel Potenzial. Europa hinkt zurzeit noch ganz weit hinter dem amerikanischen Markt her. Und auch wenn das Potenzial für Europa groß ist, ist der europäische Markt für Japaner noch sehr unbedeutend. Wenn japanische Produzenten in Europa sind, dann ist das aus Marketinggründen sehr wichtig aber für das Geschäft nur für ganz wenige von Relevanz.
Yoshiko Ueno Müller: Für Japaner ist Europa das Land von Wein und dafür schätzen sie es sehr wert. Wenn man es schafft, Sake in die Sterne-Gastronomie – insbesondere in Paris und London – zu bringen, dann hat das schon einen hohen Stellenwert in Japan, auch wenn es wirtschaftlich erst einmal unbedeutend ist. Natürlich werden die hohen Umsätze in Asien erzielt aber der Wertschätzungsfaktor ist auch nicht zu unterschätzen. Deutschland gehört in Europa für Japaner nicht an die erste Stelle der kulinarischen Landkarte. Allerdings finden auch Japaner Deutschland kulinarisch zunehmend interessanter.
omoxx: Wenn ihr euch was in Bezug auf Sake wünschen würdet, was wäre das?
Jörg Müller: Der Wunsch wäre, dass man Sake genauso wie Bier oder Wein betrachtet.
Yoshiko Ueno Müller: Genau und wenn man in ein gutes Restaurant geht und die Getränkekarte aufschlägt und neben Champagner, Rotwein und Weißwein auch immer Sake findet. Dass das Angebot an Sake also Normalität in der deutschen Gastronomie geworden ist.
omoxx: Vielen Dank Yoshiko-san und Jörg-san für das interessante Interview und alles Gute für euch und eure Sake-Aktivitäten.

Dieses Interview haben wir geführt bei
Ueno Gourmet
Bahnhofstraße 7A,
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