Zum Glück Osaka und ein Zufall
Ich bin viel geschäftlich in Asien unterwegs. Da ist es nicht immer einfach, die wenige Freizeit, die man auf einer Geschäftsreise hat, sinnvoll zu nutzen. Was bleibt sind hin und wieder mal freie Abende und wenn man ganz viele Glück hat und länger unterwegs ist, auch mal ein Wochenende zur freien Verfügung.
Dieses Glück hatte ich bei meinem letzten Japanbesuch und hinzu kam auch noch der Zufall. Ein Freund von mir hielt sich zu diesem Zeitpunkt auch in Japan auf, allerdings etwa 500 Kilometer von meiner Wirkungsstätte entfernt – ich in Tokio, er in Osaka. Ein freies Wochenende, der Umstand, dass ich noch nie in Osaka war, ein paar gute Argumente meines Bekannten und eine effiziente Schnellzugverbindung zwischen Tokio und Shin-Osaka halfen mir eine sofortige Entscheidung zu fällen.
Also machte ich mich Mitte/Ende Mai für gut einen Tag auf den Weg nach Osaka und gönnte mir sogar ein Erster Klasse Ticket für die sogenannte Tokaido-Shinkansen Linie. Diese gilt nicht nur als die am stärksten frequentierte Hochgeschwindigkeitsstrecke der Welt (mehr als 400.000 Reisenden pro Werktag nutzen sie), die hier verkehrenden Züge fahren mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 220 km/h. Damit legt man die etwas mehr als 500 Kilometer zwischen Tokio und Osaka im Idealfall sogar in weniger als 2,5 Stunden zurück – eigentlich eine zu kurze Zeit, um die teilweise sehr schönen landschaftlichen Anblicke, die es an der Bahnstrecke gibt, genießen zu
Über Osaka
Die drittgrößte Stadt Japans liegt im (süd)westlichen Teil der pazifischen Inselnation und ist Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur Osaka und gehört zur Region Kinki. Osaka wird häufig als das traditionelle Handelszentrum Japans bezeichnet und stellt gleichzeitig eines der bedeutendsten Industriezentren dar. Darüber hinaus liegen in Osaka auch viele wichtige Häfen
Interessanter Weise wird Osaka oftmals auch als „Küche Japans“ tituliert, was natürlich mein besonderes Interesse geweckt hat. Es ist wahrscheinlich wenig erstaunlich, dass es bezüglich der Küchen in Japan schon bedeutende lokale und regionale Unterschiede gibt und ich mich umso mehr auf Osaka gefreut habe.
Eine flüssige Verbindung: SAKE
Natürlich wusste ich von vornherein, dass es eigentlich zu schade ist, nur eine sehr kurze Zeit in Osaka zu verbringen. Allerdings gab es da eine Person, die mich nicht nur überzeugt hat, nach Osaka zu kommen sondern auch dafür gesorgt hat, dass diese kurze Zeit, einfach zu einem tollen Erlebnis geworden ist. Vielleicht war mir dieses auch schon von Anfang an bewusst, denn es gab eine gemeinsame Verbindung und diese hieß SAKE (im japanischen oft auch als Nihonshu bezeichnet). Als ich Maximilian Fritzsch vor einigen Monaten bei einem Sake-Tasting in der japanischen Botschaft in Berlin kennengelernt habe, wusste ich sofort, da gibt es zwei „Deutsche Sake-Botschafter“, die nicht nur eine Passion für dieses fantastische Getränk teilen, sondern auch eine besondere Beziehung zu Japan haben.
Maximilian hat ein Auslandspraktikum im Land der aufgehenden Sonne absolviert, ich wurde durch meine zahlreichen Geschäftsreisen vom „Japanvirus“ infiziert. Max hat aus seiner Passion für Sake und seiner Zuneigung zu Japan, dann auch gleich eine Geschäftsidee entwickelt. Vor einigen Jahren gründete er das Sake-Online-Versandunternehmen Tokuri (www.tokuri.de) mit Sitz in Berlin. Über Tokuri kann der Sake-Connaisseur, der interessierte Gastronomiebetrieb oder auch der neugierige Sake-Neuentdecker eine Vielzahl von interessanten Nihonshus bestellen. Tokuri selber pflegt eine sehr persönliche Beziehung zu den repräsentierten Sake-Brauereien.
In Osaka hätte ich dann auch super gerne mal wieder eine Sake-Brauerei besichtigt und Max wäre sicherlich prädestiniert dafür gewesen, mir hier Türen zu öffnen. Allerdings, und das sollte jeder Sake-Interessierte wissen, brauen Sake-Betriebe – zumindest die traditionellen – ihre Sake (aus klimatischen Gründen) nur von Oktober bis März. Darüber war es Wochenende, so dass es nicht viel gegeben hätte, was man hätte sehen können. Also habe ich diesen Wunsch auf meinen nächsten Trip nach Japan vertagt.
Nichtsdestotrotz qualifizierte sich mein Begleiter als idealer Osaka-Guide: Max kennt Osaka fast schon so gut wie seine Westentasche, als ausgebildeter Sake-Sommelier weiß er natürlich auch um einige der Sake-Hotspots und – im Gegensatz zu mir – spricht er ein wenig Japanisch, was sehr nützlich sein kann. Und so starteten wir unseren Nachmittag in Osaka gleich mal mit einer kurzen Führung durch die Stadt und landeten anschließend in einem – ich würde mal sagen – sehr besonderen Sake-Shop.
Von Sake Shops, Izakayas und andern Hotspots
Als wir den Yamanake Sake-Shop betraten wusste ich nicht sofort, was mich erwartete aber es musste gut werden, denn Max traf hier einen bekannten Toji (Sake-Braumeister) wieder, der hier einige seiner Produkte präsentierte und mit dem Max gleich ins Gespräch kam.
Nach einer kurzen Vorstellungrunde machten wir uns dann auf in die Schatzkammer(n) vom Sake-Shop und was mich dort erwartete, ließ mein Herz als echter Sake-Fan höher schlagen. Wie ein „Schlauch“ zogen sich Regale voll mit Premium-Sake aus den unterschiedlichsten Regionen Japans durch das zweite Geschoss des Ladens und interessanter Weise warteten am Ende des ersten Schlauchs eine Tür zum nächsten Schlauch und dann nochmal eine zum dritten Schlauch. Gleichzeitig nahm die Temperatur in den Räumen von Schlauch zu Schlauch ab.
Die Erklärung dafür ist relativ einfach: Bei den drei Räumen handelt es sich um große „Klimaschränke“ für Sake und je niedriger die Temperatur ist, umso höher der Preis für die Sake und eigentlich könnte man auch sagen umso höher auch die Qualität der Sake, wobei diese Aussage eine gewisse Unschärfe aufweist. Mit anderen Worten ausgedrückt: in der dritten „Schatzkammer“ fand man nur noch Junmai Daiginjo Sake, die nur einen sehr geringen Teil der Gesamt-Sake-Produktion ausmacht und besonders hohen Qualitätsanforderungen unterliegt. Nachdem ich meinen Mund vor lauter Staunen (und der Kälte in den Klimaräumen) wieder schließen konnte, machten wir uns wieder auf ins Erdgeschoss des Sake-Shops, um einen kleinen Snack und natürlich die frisch produzierte Sake von der letzten Saison zu probieren.
Es wurde viel mit dem Toji gefachsimpelt und glücklich ausgestattet mit einigen „interessanten“ Flaschen Sake verließen wir dann irgendwann den tollen Sake-Shop im Herzen von Osaka.
Izakaya – Ein Sake-Laden zum Sitzen
Nach einer kurzen „Wanderung“ durch Osaka ging es dann weiter zu unserem ersten Besuch in einem Izakaya, allerdings hatten wir vorher noch einen Freund von Max, Ko Nishio getroffen. Ko-san stellte sich nicht nur als extrem ortskundig heraus sondern war auch ein echter Sake-Fan und -Experte.
Ein Izakaya könnte umgangssprachlich als japanische Kneipe oder Pub beschrieben werden und ist zweifelsohne der populärste und bekannteste Gastronomiebetrieb in Japan. Gewöhnlichen Izakayas haben in Japan eine sehr lange Tradition.
Der Name Izakaya setzt sich dabei aus „i“ (für sitzen) und „sakaya“ (für Sake-Geschäft) zusammen. Übersetzt heißt er dann so viel wie „Ein Sake-Laden zum Sitzen“. Aus diesem Grund kann man in Izakayas auch nicht stehen sondern sitzt immer – entweder an einer Theke, an einem normalen Tisch oder auf traditionellen Sitzkissen, auf Tatamimatten an niedrigen Tischen. Wie der Name schon induziert, steht bei Izakayas das Getränk „Sake“ im Vordergrund, allerdings bekommt man in der Regel hier auch andere alkoholische (und natürlich auch nicht-alkoholische) Getränke wie Bier, Shochu usw. Die japanische Kneipe hat immer einen Koch und bietet in der Regel eine Auswahl an kleineren Speisen oder wartet sogar mit einer umfangreichen Speisekarte auf. Je nach Izakaya wird der Gast gebeten seine Schuhe auszuziehen und in zur Verfügung gestellten Pantoffeln oder barfuß umherzulaufen. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Izakaya)
Das erste von uns aufgesuchte Izakaya beindruckte mich vor allem durch sein schönes Interieur und eine Sake-Regelwand, die ihres gleichen sucht. Nach einigen kleineren Snacks – ich fand vor allem den japanischen Kartoffelsalat super lecker – und zwei Gläsern Sake zogen wir dann weiter zu unserem nächsten Hotspot.
Izakaya #2 & #3
Hier trafen wir dann auf einen weiteren Freund von Max, Shota Maeda. Shota-san ist nicht nur ein Sake-Fan sondern auch ein verrückter Kerl (im Positiven gesprochen). Shota hat für einige Monate in Kanada gelebt und dort eine „Ausbildung“ zum Cowboy gemacht – kein Witz! Hierüber hat er sogar ein Buch geschrieben, welches leider nur in japanischer Sprache erhältlich ist. Heute betreibt Shota einen sehr coolen Shop mit hochwertigen Lederwaren und Lederaccessoires. Es war klar, dass wir in diesem zweiten Izakaya länger verweilen würden, denn es gab nicht nur eine Menge tollen Gesprächsstoff sondern auch der Besitzer war eine echte Koryphäe auf dem Gebiet von Sake.
Er ließ uns nicht nur an seinem profunden Wissen teilhaben sondern servierte uns auch einige seiner eigenen Sake-Favoriten, wobei viele sehr unterschiedlich, sie aber allesamt ausgezeichnet waren. Darüber hinaus gab es auch viele nicht flüssige Köstlichkeiten zu probieren, von denen zwei allerdings als sehr speziell bezeichnet werden können. Ich bin zweifelsohne sehr experimentierfreudig, tat ich mich beim Wal-Sashimi und bei dem rohen, marinierten Hähnchenfleisch jedoch etwas schwer. Es muss aber angemerkt werden, dass ich nirgendwo anders außer in Japan dieses Food-Experiment ausprobiert hätte, denn die Frische der angebotenen Produkte ist schon einmalig. Aber auch wenn Wal und rohes Hähnchen mich nicht ganz so „ge-kickt“ haben, alle andern Speisen waren unglaublich lecker und das Sashimi war einfach nur genial. Irgendwie war spürbar, dass der Besitzer dieses Izakayas viel Wert auf gutes Essen legt und auch die Sake-Auswahl war einfach nur großartig.
Bei Izakayas sollte man nicht den Fehler machen, vom Interieur auf die Qualität zu schließen, denn es gibt einige japanische Kneipen, die eher spartanisch ausgestattet sind aber dennoch Essen und Trinken auf einem ganz hohen Niveau servieren – so auch hier.
Mit tollen Erinnerungen und einigen Flaschen Sake intus verließen wir Izakaya Nummer 2 und Shota-san musste sich leider auch verabschieden, denn sein Geschäft brauchte ihn doch am nächsten Tag. Da die drei anderen Sake-Nimmersatts aber noch Lust auf einige weitere Gläser vom „don’t call it rice wine“ hatten, führte uns Ko-san zu einem weiteren Izakaya, von dem er den Besitzer kannte, und wir waren uns alle im Klaren, dass dieses uns letzte Sake-Station sein würde. Hier entledigten wir uns erst einmal unserer Schuhe (einige Izakayas wollen das so), schlüpften in ein paar Pantoffeln und nahmen an der Theke Platz. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, dass Izakayas zwar immer einen gemeinsamen Nenner haben – die Sake steht im Mittelpunkt – aber ansonsten so völlig unterschiedlich sein können…vom Essen, vom Interieur, von der Atmosphäre, von den Besuchern und so weiter. Deshalb war auch meine letzte Izakaya Station in Ozaka ein Highlight. Allerdings musste ich zugeben, dass sich so langsam ein Sake-Sättigungsgefühl einstellte…das muss bei mir dann schon was heißen.
Ramen am späten Abend
Nachdem sich Max nach dem Besuch des dritten Izakayas auch verabschiedet hatte, blieben nur noch Ko-san und ich übrig. Da ein weitere Barbesuch wahrscheinlich zu einem unschönen Ende geführt hätte, einigten wir uns kurzerhand darauf um 2:00 Uhr Nachts noch eine Kleinigkeit essen zu – als wenn wir nicht schon genug gehabt hätten. Und siehe da es gab ein 24/7 Ramenrestaurant (im japanischen Ramen-ya), dass uns mit offenen Armen empfing.
Ich persönlich bin ein totaler Ramen-Fan, auch wenn ich immer etwas vorsichtig mit Weizenprodukten sein muss. Ramen ist im Prinzip eine japanische Nudelsuppe und wird aus frischen Nudeln, Brühe (aus unterschiedlicher Basis) und weiteren Zutaten, wie beispielsweise Ei, Fleisch, Fisch oder Lauchzwiebeln hergestellt. Ramenläden haben Im Japan den Charakter eines Fastfoodrestaurants, sind ein essentieller Bestandteil der japanischen Küche und leben von ihren regionalen Unterschieden. Ob Ramen in Osaka jetzt besser als in anderen Städten Japans ist, wage ich nicht zu beurteilen. Ich weiß allerdings, dass mir an diesem Abend, das von Ko bestellte Ramen ausgezeichnet geschmeckt hat.
Nach diesem kulinarischen Nach-Mitternachts-Snack rief Ko mir dann noch ein Taxi und irgendwie war ich jetzt auch glücklich ins Bett zu kommen, um von Sake-Engeln zu träumen.
Zurück nach Tokio
Der nächste Morgen war ein ganz besonderer: ich hatte nicht nur einen recht ordentlichen Hang-over, nein, ich hatte auch viele tolle Eindrücke in meinem Kopf gespeichert und war glücklich, einige neue, wahnsinnig nette und extrem gastfreundliche Menschen kennengelernt zu haben. Die zahlreichen und sehr unterschiedlichen von mir verkosteten Sakes vom Vortag zeigten mir einmal mehr, dass ich zur Recht ein echter Fan von diesem „Getränk der Götter“ bin. Gleichzeitig half mir der Sake vom Vorabend auch, eine recht entspannte Rückfahrt nach Tokio – überwiegend im schlafenden Zustand – zu gewährleisten. An diesem Sonntagabend in Tokio habe ich dann erst einmal auf weitere Sake-Degustationen verzichtet. Ach ja, natürlich ist auch Tokio eine wahnsinnig tolle Stadt aber dazu dann mehr beim nächsten Mal.
Domo arigato goizaimasu (vielen lieben Dank) noch einmal an meine Osaka Guides und Begleitungen Maximilian Fritsch, Ko Nishio und Shota Maeda – es hat sehr viel Spaß mit euch gemacht und ich habe viel Neues über Sake und die japanische Küche gelernt. Für mich immer wieder beindruckend: Japan ist das Land, wo es wirklich extrem schwer ist nicht gut zu essen und zu trinken. In diesem Sinne: Kampai und Sayonara.