Wagyu gilt als das teuerste Rindfleisch der Welt. Was es damit auf sich hat, worauf man achten sollte und ob die Preise gerechtfertigt sind erklärt Doc Joe RG in diesem Beitrag.

Bestes japanisches Beef

Wagyu Beef – was ist das?

Wir von omoxx sind echte BBQ Fans. Und was haben wir nicht schon alles auf unsere Grills geschmissen. Rindfleisch (im neudeutsch gerne auch als „Beef“ bezeichnet) steht in unserer Beliebtheitsskala sehr weit oben. Wenn es um ein erfolgreiches BBQ mit Beef geht, dann sind zwei Dinge entscheidend. Erstens, der richtige Umgang mit dem Grillgut („von Hitze bis zur Garzeit“) und zweitens, die Verwendung von Rindfleisch mit hoher Qualität. Wenn dann auch noch eine dritte Komponente nämlich die „Reifezeit“ hinzukommt, dann steigen selbst einige Fleisch-Connaisseure aus. Gar keine Frage, teilweise nimmt die Diskussion in Sachen „Rindfleisch“ auch philosophische Züge an und füllt unzählige Bücher.

Das richtige Rindfleisch, die Qual der Wahl…

Wir wollen daher nur ein paar grundsätzliche Empfehlungen, die auch nicht neu sind, aussprechen, bevor wir uns dem eigentlichen Thema „Wagyu“ widmen.

  1. Qualität sollte immer vor Quantität stehen und hier spielen eine natürliche Aufzucht, eine artgerechte Haltung sowie eine mastfreie Fütterung eine entscheidende Rolle. Fast schon logisch ist dabei auch, dass das Fleisch von Milchkühen niemals als Steak taugen kann.
  2. Auch wenn Bio in vielen Bereichen seine Daseinsberechtigung hat, dieses Zertifikat bedeutet aber noch lange nicht, dass die Fleischqualität eines Bio-Rindes dem eines normal aber artgerecht aufgezogenen Rindes überwiegt. Zweifelsohne gibt hervorragendes Bio-Rindfleisch, dass jedem Zweifel erhaben ist und ein gutes Bild auf jedem Grill abgibt. Dies kann aber auch für Beef gelten, welches nicht das Bio-Siegel trägt.
  3. Gutes Rindfleisch hat einfach seinen Preis, selbst dann, wenn es nicht Bio zertifiziert wurde. Dies hängt mit den schon angesprochenen Aufzuchts- und Futtermethoden zusammen. Wenn ein Rind behutsam, langsam, artgerecht und mit viel Auslauf aufgezogen und gleichzeitig mit hochwertigen Futter versorgt wird, kann das Fleisch nicht zu Discounterpreisen in den Handel kommen. Daher unser Tipp: esst weniger Fleisch aber achtet dafür mehr auf die Qualität.
  4. Regionalität geht vor Globalität. Ja, wir leben in einer globalen Wirtschaft aber müssen wir unsere Teller mit Beef aus Argentinien oder Brasilien füllen, wenn das Gute so naheliegt? Wir von omoxx sind schon seit jeher ein Verfechter des Slow Food Gedanken – natürlich mit gewissen Ausnahmen. Aber bei Fleisch sind wir rigoros. Bei uns in Deutschland (und insbesondere auch in Bayern) gibt es tolle Rinderfarmen, bei denen auf Nachhaltigkeit geachtet wird und die exquisites Beef hervorbringen. Und wenn ihr schon über die Landesgrenzen hinwegschaut, dann bleibt bitte in der EU, wie beispielsweise in Irland oder Österreich.
  5. Der Metzger eures Vertrauens kann euch immer über die Herkunft und Aufzucht des Tieres, welches für das Stück Fleisch verantwortlich ist, was auf eurem Teller landet, Auskunft geben. Darüber hinaus hat er oft auch hilfreiche Tipps zu den Themen Fleischsorte und Garzeit. Macht hiervon Gebrauch und scheut euch nicht, auch ungewöhnliche Fragen zu stellen.
  6. Es muss nicht immer Filet oder Roastbeef sein! Viele von uns Deutschen neigen dazu immer nur das „beste Stück“ vom Rind auf dem Teller haben zu wollen. Doch was ist das Beste? Ja, zugegebener Maße bis vor einigen Jahren hat sich auch auf meinem Teller überwiegend ein mageres Filetstück wiedergefunden. Doch das hat sich grundlegend geändert. Ich finde, dass andere Cuts (zum Beispiel das Flank) viel mehr Charakter haben und ein bisschen Fett dem Fleisch nicht schadet. Ganz im Gegenteil, Fett gibt dem Fleisch seinen ganz besonderen Charakter. Dass es nicht immer nur Filet sein muss, beschreibt auch in sehr schöner Form das Buch „Die ganze Kuh“. Dieses haben wir vor einiger Zeit besprochen. /die-ganze-kuh/
  7. Ja, ich weiß, einige von euch mögen ihr Fleisch gerne „durch“ und wir werden jetzt auch nicht anfangen hier als Oberlehrer agieren zu wollen. Allerdings solltet ihr gutes Beef – insbesondere dann, wenn es auf dem Grill oder in der Pfanne landet – möglichst nicht totbraten. Warum? Na ja ganz einfach, weil ihr dann nur noch wenig vom eigentlichen Fleischcharakter erfassen könnt, da sich die Faserstruktur des Fleisches komplett verdichtet hat. Natürlich muss ein gutes Stück Rindfleisch auch nicht so vor Blut tropfen. Wie in vielen Fällen liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der goldenen „medium“ Mitte, wobei sich meine persönliche Mitte eher als „medium rare“ darstellt.

Wagyu Beef – was genau ist das?

Durch meine vielen Japan Reisen bin ich schon relativ früh mit Wagyu Fleisch in Kontakt gekommen. Doch anders als vielleicht einige annehmen könnten handelt es sich bei dem Begriff „Wagyu“ (Betonung auf dem „u“) um keine Herkunftsbezeichnung. Wagyu ist schlicht und einfach der japanische Begriff für „japanisches Rind“ (Wa = Japan und Gyu = Rind) und subsumiert damit sämtliche Rinderrassen japanischen Ursprungs unter einem Begriff.

Interessant ist vor allem, dass bis vor etwa 150 Jahren japanische Rinder lediglich als Arbeitstiere (auf Reisfeldern und im Bergbau) eingesetzt wurden und der Verzehr dieser Tiere gesetzlich verboten war. Die Besonderheit der Wagyus liegt darin, dass sie über einen hohen Fettanteil in ihrem Muskelfleisch (intramuskuläres Fett) verfügen, welches den Genuss dieses Fleisch so besonders macht.

Wagyu Rinder auf der Schwäbischen Alb (Foto: Thomas Vonier)

Woher stammt dieser hohe intramuskuläre Fettanteil?

Immer dann, wenn die ehemaligen Arbeitsrinder nicht auf den Feldern oder im Bergbau aktiv waren, sondern sich in einer Ruhephase befunden haben, reagierte ihr Körper darauf mit einer entsprechenden Fetteinlagerung und dieses hat bis heute Bestand, auch wenn Wagyus natürlich nicht mehr als Arbeitstiere gehalten werden. Im Gegensatz zu anderen Rinderrassen wird das Fett bei Wgyus nicht punktuell eingelagert, sondern ist in Form einer sehr feinen Marmorierung gleichmäßig über das gesamte Muskelfleisch verteilt. Die Fettmarmorierung wird in den Marmorierungsstufen „M“ gemessen und nimmt in der höchsten Stufe (bei einem Fettanteil von weit über 50 Prozent) den Wert „12“ an. Dieser wird allerdings ausschließlich von wenigen japanischen Rindern vom Typ „Kobe“ erreicht, ist außerhalb Japans so gut wie nie zu finden und stellt aus meiner Sicht nur bedingt ein Qualitätsmerkmal dar – aber dazu später mehr.

Vom Nutzrind zum Fleischrind

Was hat jetzt aber aus den ehemaligen Nutzrindern Fleischrinder werden lassen? Nun ausschlagend hierfür war die Thronbesteigung des Kaisers Meiji im Jahre 1886 und sein Versuch Japan in Richtung Westen“ zu öffnen. Der formale Akt der Öffnung Japans erfolgte via der Hafenstadt Kobe am 1. Januar 1869. Dies ist auch der Grund dafür, warum heute der Begriff „Kobe Beef“ als Synonym für das Fleisch von Tajima-Rindern Verwendung findet. Mit der Öffnung Japans gen Westen änderte sich auch der Umgang mit den Wagyus. Um einen möglichst hohen Fleischertrag zu erhalten, wurde das Zuchtverhalten entsprechend angepasst und optimiert. Heute gibt es drei Wagyu Rassen, die besonders häufig auftreten: das Japanese Black (Kuroge Wagyu), das Japanese Shorthorn (Tankaku Wagyu) und das Japanese Brown (Akage Wagyu). [Quelle:Wikipedia]

Wagyu in Deutschland und der Welt

Bis etwa Ende des letzten Jahrtausends war klar, dass wenn wir von Wagyus sprechen, dann sprechen wir immer auch von Rindfleisch, das aus Japan kommt. Nun, das hat sich, sagen wir mal, ein wenig gewandelt. Der Grund dafür liegt darin, dass seit Anfang 2010 der Export von Samen und Embryonen von Wayus von der japanischen Regierung freigegeben wurde. Allerdings wurde der Export der Wagyu Samen und Embryonen sowie Fleisch, als auch lebende Rinder für Europa erst im Juli 2014 erlaubt.

Der Grundstein für die weltweite Wagyu Zucht wurde aber schon deutlich früher gelegt, nämlich in den 90iger Jahre, als einige Wagyus aus wissenschaftlichen Gründen von Japan in die USA verschickt wurden. Es ist deshalb auch wenig erstaunlich, dass sich die größten Wagyu-Farmen außerhalb Japans in den USA und Kanada (und Australien) befinden. Und wahrscheinlich ist es auch wenig erstaunlich, dass die Wagyu-Population, die sich heute außerhalb Japans befindet, überwiegend von den „wissenschaftlichen Rindern“ aus den 90igern abstammt.

In Deutschland gibt es im Übrigen heute etwa 150 Wagyu-Züchter und Halter, welche im „Wagyu Verband Deutschland e. v.“ organisiert sind. (http://www.wagyuverband.com/)

Wagyu Rinder sind sehr neugierig. (Foto: Thomas Vonier)

Wann ist ein Wagyu noch ein Wagyu?

Auch wenn es sich ein wenig eigenartig anhört, aber leider ist nicht immer dort, wo Wagyu draufsteht auch Wagyu drin – um es ein wenig überspitzt zu formulieren. Oder lasst es mich etwas anders ausdrücken: Einiges von dem, was euch außerhalb Japans als Wagyu verkauft wird, hat mit dem Fleisch, welches ihr von eurem letzten Japantrip kennt, nicht immer viel gemeinsam. Woran liegt das? Nun zum einen, Wagyu ist kein geschützter Qualitätsbegriff. Zweifelsohne gibt es Top-Qualitäten an Nicht-Japanischen-Wagyu-Fleisch. Es gibt allerdings auch Qualitäten, die eher so lala sind. Um die Gründe hierfür zu verstehen, sollte man einen kleinen Blick hinter die Kulissen der Wagyu-Zucht außerhalb Japans werfen.

Der Import von Wagyu Samen und Embryonen ist seit Anfang 2010 erlaubt (in der europäischen Union seit Mitte 2014). Wenn ein nichtjapanischer Züchter eine einheimische Kuh jetzt mit Wagyu Samen befruchtet, dann „entsteht“ ein Kalb, dass zu 50 Prozent Wagyu ist. Ist das Kalb weiblich und wird im späteren Leben wieder mit Wagyu Samen befruchtet, dann liegt der Wagyu-Anteil schon bei 75 Prozent. Dieses Szenario lässt sich natürlich immer weiterspielen, bis man bei einem Wagyu Anteil von nahezu 100 Prozent angekommen ist.

Diese Art der Wagyu-Zucht ist vielleicht die kostengünstigste hat sich aber auch als diejenige herausgestellt, die qualitätsmäßig für viele Enttäuschungen sorgte. Darüber hinaus kann man zwar ein Wagyu, welches nur zu 50 Prozent genetisch ein Wagyu ist, als selbiges verkaufen – moralischer Anspruch hin oder her – dieses hat aber faktisch mit den Rindern aus Japan so viel zu tun, wie eine bayrische Weißwurst, die in Tokyo produziert wurde.

Neben dem Import von Wagyu Samen besteht aber auch die Möglichkeit Wagyu Embryonen zu importieren, um diese anschließend heimischen Kühen (in Form einer künstlichen Befruchtung) einzusetzen. Die heimische Kuh agiert dann quasi wie eine Leihmutter. Der Charme dieser Methode besteht darin, dass das geborene Kalb von Anfang an ein wirkliches Wagyu ist (da zu 100 Prozent genetisch „echt“) und dementsprechend auch alle Vorzüge und Qualitätsmerkmale eines echten Wagyus aufweist. Diese Methode ist zwar relativ aufwändig und teuer, dafür sprechen die Ergebnisse für sich. Ein weiterer Vorteil der „Embryonen-Methode“ besteht darin, dass sich in relativ kurzer Zeit eine hochwertige und „reine“ Wagyu-Herde realisieren lässt. Neben der Besamung und der Embryonen Methode besteht eine weitere Möglichkeit eine Wagyu Zucht zu realisieren darin, dass auf den Genpool der „wissenschaftlichen Rindern“ aus den USA aus den 90igern Jahren zurückgegriffen wird. Auch wenn dies zweifelsohne die „authentischste“ Art der Wagyu Aufzucht darstellt (die Kälber werden vom ersten Tag an mit Wagyu Muttermilch gefüttert), stellt es auch die aufwändigste, da kostspieligste Art der Wagyu Zucht dar. Darüber hinaus ist der Genpool nicht allen Züchtern zugänglich, so dass es nur einer kleinen „auserlesenen“ Gruppe vorbehalten bleibt, diese Art der Wagyu Zucht umzusetzen – verbunden mit entsprechend hohen Einstandskosten.

Heute muss ganz klar herausgestellt werden, dass sich die Qualität von Wagyu Fleisch, von Rindern, welche außerhalb Japans gehalten, großgezogen und geschlachtet werden, deutlich der aus Japan angenähert hat. Aber ja, auch hier gilt das Motto eine hohe Qualität hat auch seinen entsprechenden Preis. Dieser kann dann auch schon mal zwischen 100 und 300 EUR (!!!) pro Kilo, je nach Cut und Qualität, für ein heimisches Wagyu liegen.

Sind Wagyu und Kobe eigentlich Synonyme?

Gerne werden die Begriffe Wagyu und Kobe synonym verwendet, allerdings gibt es klare Unterschiede. Während jedes Kobe Rind ein Wagyu ist, ist nicht jedes Wagyu ein Kobe Rind. Wo aber liegen jetzt genau die Unterschiede bei den japanischen Rindersorten? Im Grunde genommen handelt es sich beim Kobe Rind um eine Herkunftsbezeichnung. Diese umfasst alle Wagyus (der Rasse Tajima), die in der japanischen Stadt K?be (Präfektur Hy?go) geboren, aufgezogen, gehalten und geschlachtet wurden. Dieses bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ein Kobe Rind niemals aus einer Region außerhalb der japanischen Hafenstadt Kobe kommen kann, egal ob Japan, USA, Europa oder Deutschland. Das Kobe Fleisch, welches es hier zu kaufen gibt, hat immer einen Weg von mehreren tausend Kilometern hinter sich und muss aus Japan importiert werden.

Neben der langen Aufzuchtzeit, die im Schnitt drei Mal so lange ist, wie bei herkömmlichen Rindern, spielt vor allem die, schon an anderer Stelle angesprochene, intramuskuläres Fettverteilung eine herausragende Rolle bei der Definition der Qualität. Nur Kobe Rinder sind in der Lage den höchsten Fettmarmorierungsgrad „12“ zu erreichen. Der Fairnesshalber sollte allerdings angemerkt werden, dass es auch Rinder aus den Regionen Ohmi, Matsuzaka, Miyazaki und Kagoshima gibt, die in der Lage sind einen ähnlich hohen Marmorierungsgrad zu erreichen.

Mehr Fett, gleich mehr Geschmack oder was man beim Wagyu Genuss beachten sollte

Es ist wahrscheinlich wenig erstaunlich, dass Kobe Fleisch als das teuerste Rindfleisch der Welt bezeichnet wird, denn ein Kilogramm von diesem Fleisch kann durchaus 400 bis 600 Euro kosten und toppt damit noch einmal den Preis vom Wagyu. Neben der Marmorierung des Fleisches – wir erinnern uns an die Stufen M1 bis M12 – spielen allerdings auch die Farbe und die Textur vom Fleisch sowie die Farbe vom Fett eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Beef-Qualität. Dieses wird manchmal außer Acht gelassen, sollte aber die reine Qualitätsbeurteilung nach dem Fettmarmorierungsgrad relativieren. In Japan erfolgt die Bewertung der Qualität von Wagyu in fünf Qualitätsklassen (die auch die obigen Aspekte berücksichtigt), wobei die Stufe 5 einem „herausragend“ entspricht und Stufe 1 einem „geht so“. Für den Import werden allerdings nur Cuts der Stufen 4 bis 5 vorgesehen und zugelassen.

Die Frage, die jetzt unweigerlich im Raum steht, ist die nach dem Preis-Geschmacks-/Genussverhältnis und da fällt es uns schon schwer nicht in eine geschmacksphilosophische Betrachtung abzudriften. Als Food- und Barmagazin wollen wir uns weniger dem Thema „Luxusgüter“ verschreien, sondern uns vielmehr möglichst sachlich an Genussthemen herantasten. Allerdings ist eine sachliche Diskussion, bei so vielen Vorschusslorbeeren, nicht immer einfach, da hier ja automatisch eine positive Korrelation – vielleicht sogar Kausalität – zwischen Preis und Genuss vorausgesetzt wird. Oder anders ausgedrückt, da wo so viele Fleisch-Connaisseure bei Wagyu und Kobe Beef im siebten Himmel der Fleischeslust schweben, müssen wir uns zwangsläufig anschließen. Aber müssen wir das wirklich? Ja, auch ich habe sowohl schon Kobe Beef der höchsten Marmorierungsstufe in Japan gegessen als auch Wagyu aus Deutschland und Australien probiert. Allerdings sollten, wenn es um den Genuss von Kobe Beef oder Wagyu geht, ein paar Dinge herausgestellt werden. Warum? Na ganz einfach, weil es sich bei diesen Fleischsorten weder um den „heiligen Gral der Fleischeslust“ handelt noch ein obsessiver Umgang mit diesem Thema angebracht ist.

Wer versucht sich Rindfleisch mit einem hohen intramuskulären Fettanteil und einem besonderen Geschmack zu nähern sollte ein paar Basics beachten, damit der „erste Kontakt“ zu einem echten Geschmackserlebnis wird und weniger zu einer Geschmacksenttäuschung. Wie steht es bei euch mit Carpaccio, das hauchdünn geschnittene rohe Rindfleisch, das mit Olivenöl, Parmesan, schwarzen Pfeffer und Salz getoppt wird und welches ihr vorzugsweise als Antipasti beim Italiener um die Ecke findet? Ihr liebt es, dann solltet ihr es unbedingt mal die Variante mit Kobe Beef der Marmorierungsstufe 10+ probieren…oder auch nicht. Warum nicht? Nun, kaum ein Japaner würde sich diesem Experiment unterziehen. Der Grund ist ganz einfach. Das Fett der Kobe Rinder schmilzt bereits bei einer Temperatur von 25 Grad Celsius. Da eure Mundhöhle eine Durchschnittstemperatur von etwa 37 Grad hat, wird das Fett aus dem Kobe Fleisch verflüssigt und füllt euren Mund. Was sich bei dem ersten Bissen vielleicht noch ganz spannend anfühlt, kann bei einem 50 Gramm Carpaccio (mit einem Fettanteil von 20 bis 25 Gramm) zu einem überwältigen Fettgeschmack führen, bei dem der echte Fleischgenuss im Rauschen untergeht.

Nicht das wir uns falsch verstehen, jeder sollte einmal eine kleines Stück Kobe Beef oder ein kleines Stück hochmarmoriertes Wagyu roh und ohne jegliche Zusätze probiert haben. Nur um mal ein Gefühl für die Textur, den Geschmack, die Besonderheit und den saftigen Charakter des Fleisches zu bekommen. Allerdings rate ich zum rohen Genuss größerer Fleischmengen grundsätzlich ab. Dies ist auch genau der Grund, warum in Japan Kobe Fleisch in der Regel kurzgebraten (als BBQ) oder in heißer Brühe gegart (Shabu Shabu) wird. Dies sind auch unsere bevorzugten Genuss-Varianten bei hochwertigen Wagyu und Kobe Beef – ein wenig Moshio Salz, Fleur de Sel oder hochwertige Misopaste dazu und fertig ist ein über alle Dinge erhabenes Geschmackserlebnis.

Zwar erfährt hochmarmoriertes Wagyu bzw. Kobe Fleisch durch Braten oder Garen einen hohen Gewichtsverlust – logisch, weil sich der hohe Fettanteil „verflüchtigt“ – allerdings wäre es anderweitig kaum in größeren Mengen genießbar. Man sollte sich mal vor Augen führen, was passieren würde, wenn wir ein 200 Gramm Filet Steak vom Typ Kobe der Stufe M 12 konsumieren würden, ohne dass es eine Fettreduktion gäbe. Wir würden mindestens 100 Gramm reines tierische Fett konsumieren. Für mich nicht eine Traumvorstellung, auch wenn das Kobe und Wagyu Fett einen hohen Anteil an Omega 3 Fettsäuren enthält. Ja, Fett ist ein Geschmacksträger aber wenn Fett selber zum Geschmacksmittelpunkt wird, dann tue ich mich damit schwer.

Dies ist wahrscheinlich auch genau der Grund, warum ich weniger stark marmoriertem Wagyu Fleisch den Vorzug gegenüber Kobe Beef der höchsten Marmorierungsstufen gebe. Um es noch einmal deutlich zu machen, ich bin ein ausgesprochener Wagyu Fan, allerdings weist mein Idealtypus von Wagyu, einen Fettanteil von etwa 10 bis 20 Prozent auf. Darüber hinaus leben wir bei omoxx, wie schon angesprochen, den Slow Food Gedanken, und dementsprechend freuen wir uns über tolles Wagyu Fleisch aus deutschen Landen. Und hier können es ruhig auch mal außergewöhnliche Cuts oder Zubereitungsarten sein. Kobe Beef gibt es maximal dann, wenn ich mal wieder in Japan bin. Wagyu und Kobe Beef sind genusstechnische Luxusprodukte. Hier ist es wie bei vielen anderen Dingen. Wenn man sie ständig bekommen würde, würden sie zur „gewöhnlichen“ Produkten degradiert und langweilig werden. Deshalb sollte man diese Fleischsorten in kleinen Mengen und ganz bewusst genießen.

Einige Wagyu-Prediger könnten jetzt auch noch den Gesundheitsaspekt von diesem Fleisch zu Felde führen, da es ja nur so von Omega 3 Fettsäuren (und auch Omega 6 Fettsäuren) strotzt. Also, bei aller Fleischesliebe, wir lieben Wagyu und wir essen es gerne, weil es uns schmeckt. Ok, vielleicht hat der Verzehr auch gesundheitsförderliche Aspekte. Allerdings hat auch der Verzehr von Lebertran, der noch viel mehr Omega 3 Fettsäuren enthält, gesundheitsfördernde Aspekte. Trotzdem kann ich sehr gut hierauf verzichten. Mit anderen Worten: Manchmal ist es gut die Kirche im Dorf zu lassen.

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