Gegründet wurde die Brennerei Nikka Yoichi bereits im März 1934 vom japanischen Whiskypionier Masataka Taketsuru. Ihr Standort liegt an der Küste auf Hokkaido, der nördlichsten Insel Japans, in der kleinen Stadt Yoichi etwa 50 Kilometer nordwestlich von der Millionenstadt Sapporo entfernt. Um zu verstehen, warum die Destillerie genau an diesem Ort gebaut worden ist, sollte man ein wenig über das Leben ihres Gründers Masataka Taketsuru wissen.
Geboren wurde er 1894 in der Nähe von Hiroshima in eine Familie von Sakebrauern. 1916 schloss er seine Schulausbildung an der Osaka Technical High School for Fermented Food Production ab und nahm eine Stelle bei der Settsu Shuzo Co. Ltd. In Osaka an. Von seinem Arbeitgeber wurde er 1918 nach Schottland geschickt, um die Herstellung von Whisky zu erlernen. Zuerst studierte er an der Universität in Glasgow Chemie und absolvierte später Praktika in verschiedenen Whiskydestillerien, darunter Hazelburn und Longmorn. In dieser Zeit lernte er die Schottin Jessie Roberta „Rita“ Cowan kennen, die im Januar 1920 seine Ehefrau wurde und Ende 1920 mit ihm zurück nach Japan ging.
Wieder zurück in seiner Heimat wurde er 1923 von Shinjiro Torii, dem Gründer der Firma Kotobukiya, die im Jahr 1962 in Suntory umbenannt werden sollte, angeworben, um die erste japanische Whisky-destillerie nach schottischem Vorbild zu bauen: die spätere Yamazaki Distillery. Nachdem diese 1924 fertiggestellt wurde, arbeite Masataka Taketsuru noch neun weitere Jahre für Shinjiro Torii. Nach Ablauf seines Vertrages beschloss er, seine eigene Brennerei zu gründen.
Geschichte
Auf der Suche nach dem idealen Standort für die Destillerie fiel die Wahl schließlich auf die kleine Stadt Yoichi, durch die der gleichnamige Fluss fließt. In der Nähe liegt das größte Torfvorkommen Japans. Außerdem sind die Sommer sehr mild und die Winter nicht so streng wie auf Hokkaido sonst üblich. Das vorteilhafte Klima entsteht durch die direkte Lage am japanischen Meer, umgeben von drei hohen Bergen.
In den Anfangsjahren wurde ein Produkt benötigt, das sofort verkauft werden konnte, um die dreijährige Wartezeit bis zum ersten eigenen Whisky zu überbrücken. Die Wahl fiel dabei nicht – wie heute üblich – auf eine Spirituose ohne Reifezeit, sondern auf Apfelsaft, da die Bedingungen in der Region auch ideal für den Apfelanbau sind. Nach der Gründung der Dai Nippon Kaju Co. Ltd. im Jahr 1934 konnte die Apfelsaftproduktion starten. Später kamen weitere Erzeugnisse aus Äpfeln hinzu, zum Beispiel Apfelketchup oder Apfelwein.
1936 begann dann auch endlich die Produktion von Whisky, mit nur einer Brennblase der japanischen Firma Watanabe, die auch die Brennblasen für Yamazaki gebaut hatte. Es sollten noch vier weitere Jahre vergehen, bis 1940 der erste Whisky aus der Yoichi Distillery mit den Namen Rare Old Nikka Whisky auf den Markt kam. Während des zweiten Weltkrieges war die Destillerie die meiste Zeit unter der Verwaltung der japanischen Marine und ab 1945 wurde auch Whisky speziell für die amerikanische Armee produziert. Im Jahr 1952 wurde das Unternehmen in Nikka Distilling Company Co. Ltd. umbenannt. 1962 brachte man neben anderen Blends in einer geringen Stückzahl von nur 1000 Flaschen den Super Nikka auf den Markt, der erste Premium Blend Japans. Mit einem Preis von 3000 Yen – zu dieser Zeit ein kleines Vermögen – war er damals auch der teuerste Whisky aus japanischer Produktion. 1968 wurde Nikka Teil des Asahi-Konzerns, der die Destillerie bis heute betreibt. Im Jahr 1979 verstarb Masataka Taketsuru im Alter von 85 Jahren. Die Früchte seiner Arbeit reiften jedoch weiter, sodass Nikka mit dem Hokkaido 12 Years Old im Jahr 1984 schließlich den ersten Single Malt aus japanischer Produktion auf den Markt bringen konnte.
Gegenwart
Heute besitzt die Yoichi Distillery vier Wash Stills und zwei Spirit Stills, die im Gegensatz zu modernen schottischen Brennanlagen immer noch mit Kohlefeuer, anstatt mit Wasserdampf beheizt werden. Der Grund dafür ist, dass der ursprüngliche Yoichi-Charakter erhalten bleiben soll, obwohl man zum Beispiel die Temperatur mit Wasserdampf einfacher regeln kann. Der Whisky hat von Haus aus leichte rauchige und torfige Noten und bis 1974 wurde auch noch vor Ort gemälzt und bei Bedarf im Rauch des einheimischen Torfes gedarrt. Aufgrund der erhöhten Nachfrage wird das Malz heute allerdings aus Schottland importiert. Der New Make wird mit etwa 63 Volumenprozent Alkohol in die Fässer gefüllt, die dann in 24 niedrigen, gemauerten Lagerhäusern reifen.
Alle Gebäude auf dem Gelände sind massive Steinbauten, die im Stil der Hafenlagerhäuser der nahegelegenen Stadt Otaru gebaut wurden. Neben den Produktions- und Verwaltungsgebäuden befinden sich noch das ehemalige Wohnhaus und das kleine Haus mit den Büros von Masataka Taketsuru auf dem Gelände. Außerdem der obligatorische Destillerieladen und zwei alte Lagerhäuser, die miteinander verbunden und zu einem Whiskymuseum umgebaut wurden.
Ein Besuch in der Nikka Yoichi Distillery unterscheidet sich etwas von einem Brennereibesuch in Schottland. Der Eintritt ist frei und man bekommt drei kostenlose Whiskyproben und Apfelwein-Samples, wobei sich die Sorten jeden Monat ändern. Hierfür muss man vorab schriftlich bestätigen, dass man nach dem Genuss des Whiskys kein Fahrzeug mehr führen wird. Der designierte Fahrer einer Besuchergruppe erhält einen Aufkleber mit der japanischen Aufschrift „Driving Hero“ und bekommt so viele alkoholfreie Getränke, wie er oder sie möchte.
Man kann die Destillerie auf eigene Faust erkunden oder an einer der kostenlosen Führungen teilnehmen, die allerdings meist auf Japanisch gehalten werden. Betritt man den Verkostungsraum, bemerkt man gleich, dass man in Japan ist: Ganz selbstverständlich stellen sich alle schön in einer Reihe an, um ihre drei Proben abzuholen. Klassischerweise geben Japaner diesen dann Eis hinzu oder trinken den Whisky als Highball, das heißt ein Drittel Whisky und zwei Drittel Sodawasser. Bis auf die wenigen europäischen Touristen trinkt hier so gut wie niemand seinen Whisky pur.
Im Whiskymuseum werden die einzelnen Schritte der Produktion bildhaft und mit vielen Beispielen näher erläutert. Des Weiteren kann man verschiedene Abfüllungen aus vergangenen Jahrzehnten bestaunen – so auch eine Flasche des ersten Whiskys von Nikka aus dem Jahre 1940 – oder einen kurzen Film über die Geschichte der Destillerie anschauen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Ausstellungsstücke aus dem Besitz von Masataka und Rita Taketsuru, wie beispielsweise das vollständige Wohnzimmer aus dem Haus auf dem Destilleriegelände.
Zu guter Letzt kann man an einer Bar gegen Entgelt – aber zu sehr moderaten Preisen – noch die eine oder andere Kostbarkeit probieren, die anderswo gar nicht mehr erhältlich ist.
Zukunft
Was künftig an neuen Abfüllungen geplant ist, gibt man in Japan nicht preis. Durch den starken Boom des japanischen Whiskys, der durch die Erkürung des Yamazaki Sherry Cask 2013 zum weltbesten Whisky 2014 in Jim Murrays Whisky Bible ausgelöst worden ist, kommen nur noch sehr sporadisch neue Abfüllungen auf den Markt. Das ging bei Nikka soweit, dass Ende 2015 alle Single Malt Whiskys mit Altersangabe vom Markt genommen werden mussten, da einfach nicht mehr genügend alte Fässer vorhanden waren. Zwar ist man bemüht, dem Kunden immer wieder neue Blends zu präsentieren, aber diese sind natürlich von einer anderen Qualität als die Single Malt Abfüllungen mit Altersangabe.
2017 kamen nach fast drei Jahren zwei besondere Yoichi Single Malts auf den Markt: die eine gelagert in Moscatel-Fässern, die andere in Rum-Fässern. Diese Abfüllungen hatten keine Altersangabe und da es nur jeweils 2500 Flaschen gab, waren sie innerhalb von Minuten vergriffen. Man bekommt sie nur noch – wenn überhaupt – zu einem Vielfachen des ursprünglichen Ausgabepreises.
Eines wird aber immer betont: Spätestens 2020, anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Tokyo, will man wieder Single Malt Whiskys mit Altersangabe auf den Markt bringen. Was genau und wie alt diese Abfüllungen dann sein werden, darüber schweigt man jedoch pflichtbewusst. Es bleibt zu hoffen, dass Nikka auch im Jahre 2018 und 2019 den einen oder anderen interessanten Blend oder einige Sonderabfüllungen herausbringt, sodass die Zeit bis 2020 für die Whiskyfans nicht zu eintönig wird.
Der Artikel erschien als erstes im Whiskymagazin „The Highland Herold“ Ausgabe #38 im März 2018.
Ganze Ausgabe kostenfrei herunterladen: https://www.highland-herold.de/the-highland-herold-38-frühjahr-2018/
Druckexemplare online bestellen: https://www.highland-herold.de/shop
Aktuelle Ausgabe kostenfrei herunterladen: https://www.highland-herold.de/magazin