Warum eine Gin Skala?
Lasst uns mal mit dem zweiten Teil, dem „warum“ beginnen. Die Vielfalt und die geschmackliche Komplexität von Gin aber auch die Experimentierfreude von Destillerien haben über die letzten Jahre massiv zugenommen. Wer hätte schon vor 10 Jahren damit gerechnet, dass es einmal einen Gin mit mehr als 50 Botanicals geben oder dass Gin in Holzfässern ausgebaut wird? Diese „neuen“ Erkenntnisse machen es erforderlich, Gin heute anders zu betrachten und zu beurteilen als noch früher. Genau hier fängt die Herausforderung an. Viele Versuche von geschmacklichen Gin-Kategorisierungen reichen einfach nicht weit genug, andere sind zu komplex und für den Alltag unbrauchbar. Dies war für uns Anlass genug, die Geburtsstunde der CAMY-GIN-Scale einzuläuten.
Die CAMY-GIN-Scale ist ein Versuch sowohl verschiedene Geschmacksdimensionen eines Gins abzubilden, gleichzeitig aber auch in Vier-Hauptkategorien (Conservative – Adventerous – Masculine – Youthful) eines Gin generell zu charakterisieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass sie kein mathematisch genaues Instrument darstellt und bedingt durch subjektive Geschmackswahrnehmungen einfach eine gewisse Unschärfe aufweisen muss.
Die vier Hauptkategorien der CAMY-GIN-Skala
Die vier Hauptkategorien der CAMY-GIN-Skala über den sich jeder am Markt erhältliche Gin abbilden lässt.
- Konservativ (klassisch)
- Abenteuerlich (exotisch)
- Maskuline (Komplex)
- Jugendlich (fruchtig)
Generell gibt es die folgenden sechs Ausprägungen:
Übrigens, wir arbeiten hier nicht mit einem gleichgewichteten arithmetischen Mittel. Was heißt das jetzt konkret? Nehmen wir mal an, dass ein Gin bei den Zitrus- und Anisaromen jeweils eine „1“ als Ausprägung bekommen hat und bei der Wacholdernote eine „4“ aufweist. Bei einem gleichgewichteten arithmetischen Mittel müsste dann in der Hauptkategorie „Konservativ“ automatisch immer eine „3“ rauskommen ((1+1+4)/2=3). Dies erscheint aber nicht immer zielführend, insbesondere dann nicht, wenn eine Geschmackskomponente derart herausragend ist, dass sie die Hauptkategorie übermäßig beeinflusst. Gleichzeitig müssen auch die anderen Geschmackskomponenten und Hauptkategorien immer im Gleichschritt mit betrachtet werden. Wie gesagt, Vielschichtig- und Abhängigkeiten erhöhen nicht nur die Komplexität sondern beeinflussen leider auch die Subjektivität
Mit Hilfe der vier Hauptkategorien (die sich aus den jeweiligen Ausprägungen der 12 Subkategorien ergeben) soll ein Gin grundsätzlich charakterisiert werden.
12 Subkategorien
Bei den verschiedenen Geschmacksdimensionen haben wir 12 Subkategorien herausgearbeitet. Bei diesen geht es darum die folgenden Fragen (entsprechend der sechs Ausprägungen) zu beantworten:
- Juniper: Wie stark ist die Wacholdernote vertreten?
- Anise: Wie stark tritt die Anisnote in den Vordergrund? (Anis stellvertretend auch für Süßholz- und Lakritzaromen)
- Lemon: Wie stark sind Zitrusaromen vertreten? (Dieses können Zitronen-, Limonen- Orangen- aber auch andere Zitrusaromen sein.)
- Maritime, herbs: Wie stark wird der Gin durch einen maritimen Charakter, Gewürz- oder Kräutercharakter geprägt? (Dies kann eine sehr breite Spanne von A wie Ajowan bis Z wie Zimt sein)
- Floral: Wie stark ist eine florale / blumige Note vertreten?
- Spicy: Wie stark tritt die Schärfe eines Gins in den Vordergrund? (Die Schärfe kann unterschiedlich determiniert werden, bspw. Chili- oder Pfefferschärfe und korreliert auch mit dem Alkoholgehalt eines Gins)
- Full body: Weißt der Gin einen vollen Körper auf? Ist er vollmundig?
- Harmonic: Wie harmonisch ist ein Gin?
- Lasting: Wie anhaltend ist der Gin und wirkt der Geschmack im Mund noch lange nach?
- Fresh: Wie stark tritt die Frische in den Vordergrund? (Frische kann bspw. als kühle Frische oder Zitrusfrische empfunden werden)
- Sweet: Wie stark ist die Süße vertreten?
- Mild: In welchem Umfang ist der Gin mild? (Gins mit weniger Alkoholgehalt werden in der Regel als milder gewertet)
Anmerkung in eigener Sache: Ich werde nicht müde, gebetsmühlenartig zu predigen, dass die CAMY-GIN-Skala keine Rückschlüsse auf einen guten oder weniger guten Gin zulässt. Sie stellt lediglich ein Instrument dar, die geschmacklichen Dimensionen eines Gins besser zu verstehen und abzubilden. Gleichzeitig soll sie euch helfen, die geschmacklichen Vorlieben die ihr bei Gins habt, graphisch herauszustellen.