Die Band spielt heute Abend zum gefühlten 100. Mal „Sweet Carolin“ und die Menge stimmt inbrünstig ein.Kurz frag ich mich, wer wohl diese Carolin ist von der die berauschte Menge da unten so schwärmt, aber eigentlich ist es mir egal. Ich bin um ganz ehrlich zu sein kein großer Wiesn-Fan. Ich mag das Lied einfach nicht, egal ob es mit Samba Rhythmus hinterlegt, als Heavymetal Version oder als Walzer daher kommt. Außerdem ist es mir hier echt zu voll und laut, man versteht ja sein eigenes Wort nicht. Aber mir ist schon klar, dass ich mit dieser Einstellung hier im Winzerer Fähndl eine echte Randerscheinung bin.
Der Grund warum ich trotzdem hier bin ist einfach. Ich bin eingeladen worden, von Burgis. Burgis macht in Knödel und das sogar richtig gut, außerdem helfen sie hier auf dem Oktoberfest etwas aus, in dem sie der offizielle Knödellieferant sind. Wann immer einer der Feierwütigen eine kurze Auszeit braucht, weil der Hunger sich meldet, und wenn es dann auch ein Knödel sein soll, ist Burgis zur Stelle. Natürlich gibt es im Festzelt nicht nur Knödel, sondern eine wunderbare Auswahl weiterer Köstlichkeiten, und das ist auch der Grund warum ich heute mit ein paar anderen Münchner Bloggern hier bin.
Burgis ermöglicht mir einen Blick hinter die Kulissen, in die Küche des Festzelts zu werfen, dort wo jeden Tag tausende hungriger Gäste versorgt werden. Wenn das Zelt voll und alle Plätze im Biergarten belegt sind, wollen mehr als 8000 Personen bedient werden. Dazu werden die Gäste von knapp 280 Bedienungen versorgt, die nicht nur Bier sondern auch das Essen liefern. Damit das klappt ist eine ausgefeilte Logistik nötig.
Die Frauen und Männer im Service sind selbständig. Sie kaufen die Getränke und das Essen zu einem etwas günstigeren Preis ein und verkaufen es weiter an den Gast. Damit kann man in den zwei Wochen gutes Geld verdienen, vorausgesetzt man hat die Kondition und behält die Nerven wenn der große Ansturm kommt.
Damit das Essen schnell und vor allem warm zum Gast kommt arbeiten in der Küche knapp 100 Personen. Nicht alle sind gelernte Köche, aber jeder weiß genau was er zu tun hat. Vom Annoncieren bis zur Auslieferung eines Essens vergehen selten mehr als 30 Sekunden. Die Küche ist eine gut geölte Maschine. Jeder Handgriff sitzt und ist im Vorfeld genau geplant.
Damit das alles reibungslos klappt wird nichts dem Zufall überlassen. Alle Gerichte sind auf Effizienz hin ausgerichtet. „Wir sind hier kein Sterne Lokal“ sagt Andreas Geitl, der Küchenchef im Winzerer Fähndl, aber schmecken muss es schon und Qualität ist ihm sehr wichtig. Alle Gerichte werden frisch zubereitet. „Wir haben ein Gericht auf der Karte, unser ‚Angebergericht‘ , das Hirschkalbslendchen, wenn das bestellt wird kann es schon mal passieren dass es etwas hektisch wird, denn für dieses Gericht sind sechs Handgriffe mehr notwendig und die kosten Zeit. Aber normalerweise geht alles glatt und keiner muss verhungern.
Den Luxus einer modernen Großküche sucht man hier allerdings vergebens. „Wir arbeiten hier auf einer Baustelle“ meint Andreas Geitl. Die Küche ist an der Seite des Festzelts untergebracht und hat tatsächlich etwas Baustellen-Charme. Wenn die Dekoration fehlt, sieht man, dass ein Festzelt nur für den vorübergehenden Gebrauch aufgestellt wurde. Der Boden ist asphaltiert, die Decke ist das Zeltdach. Dafür stehen reihenweise Konvektomaten und Hendlgrills rum.
In 1 m Abstand zu so einem Grill hat es noch gut 100°C, das ist nichts für Weicheier. In den Konvektomaten liegen jetzt um kurz nach 21:00 Uhr schon die Enten für den nächsten Tag. Diese werden in der Nacht automatisch vorgegart, so dass die Gäste am nächsten Tag wieder frische knusprige Braten bekommen. Auch die Knödel sind schon vorbereitet damit am nächsten Tag keiner auf seine Beilage verzichten muss.
Die Planung wie viel Essen für den nächsten Tag vorbereitet werden müssen, ist die eigentliche Herausforderung. Platz ist auf der Wiesn Mangelwahre, und geliefert werden kann immer nur am Vormittag, wenn noch keine Besucher da sind. Läuft der Betrieb erst mal, muss alles da sein. Pro Tag werden hier ca. 8 – 9 Tonnen Fleisch verarbeitet, und im Laufe einer Wiesn sind es über 60.000 halbe Hendl welche die Küche verlassen. Das sind beeindruckende Zahlen, aber noch mehr beeindruckt mich die Leistung der Köche. Wer hier 2 Wochen durchhält kann zu Recht Stolz auf sich sein sein.
Was hier in der Küche geleistet wird, davon bekommen die Besucher draußen nichts mit. Dort spielt die Kapelle schon wieder Sweet Caroline und die Menge stimmt ausgelassen ein.
(Fotos: Thomas Vonier)