Die meisten von euch, die regelmäßig den OMOXX Gin Blog besuchen, wissen bereits: GIN IST NICHT GLEICH GIN. Aber was heißt das jetzt im Detail und wie kann ich einen „besonderen“ Gin von einem eher „geschmacklich langweiligen“ Gin unterscheiden? So viel sei vorab verraten, die Qualität eines Gins hängt natürlich sehr stark mit dem Herstellungsprozess, den unterschiedlichen Botanicals und deren Komposition zusammen. Allerdings wird wie bei kaum einem anderen Destillat die Qualität auch über persönliche Präferenzen determiniert. Während der eine Gin Liebhaber einen klassischen wacholderbetonten Gin-Sorte bevorzugt, favorisiert der andere einen exotisch komplexen Gin. Hier geht es oftmals also weniger um gut oder schlecht sondern vielmehr um persönliche Vorlieben.
Gin ist nicht gleich Gin
Als ich vor vielen Jahren anfing, mich intensiver mit Gin auseinander zu setzen, habe ich mich auf eher naive Weise diesem Thema genähert. Ein „guter“ Gin war für mich ein Gin, der mir einfach geschmeckt hat und so habe ich über die Jahre einige Favoriten entwickelt. Mit der Zeit habe ich allerdings angefangen zu hinterfragen, warum mir ein Gin besser schmeckt als ein anderer und herausgefunden, dass – wie kann es anders sein – Geschmack sehr subjektiv ist. Ich, der eher einen komplex, harmonischen über einen klassischen, sehr wacholderbetonen Gin bevorzuge, bin dabei nicht das Maß der Dinge sondern habe einfach nur eine bestimmte Vorliebe. Bevor wir uns jedoch dem Thema „geschmackliche Kategorisierung“ zuwenden, lasst und kurz das Thema „Gin Kategorisierung“ etwas allgemeiner betrachten.
Wie lässt sich Gin kategorisieren?
Diejenigen von euch, die sich schon einmal etwas intensiver mit Gin auseinander gesetzt haben, werden wissen, dass es nicht nur unzähliger Gin-Sorten gibt sondern auch sehr unterschiedliche Arten von Gin. In meinen zahlreichen Gesprächen mit Freunden, Bekannten und Gin-Liebhabern tauchen die folgenden Fragen immer wieder auf:
Was unterscheidet einen London Dry Gin von einem Dry Gin?
Was versteht man unter einem „destilled Gin“?
Enthält Gin Zucker?
Wie oft wird Gin gebrannt?
Was ist ein Gin Likör?
Im Grunde genommen stehen alle diese Fragen in einem Zusammenhang, nämlich: wie lässt sich Gin kategorisieren? Hierbei gibt es allerdings nicht die EINE Kategorie sondern unterschiedliche Ansätze.
Historische Einteilung von Gin
Nach der historischen Einteilung von Gin-Sorten wird beispielsweise in die „klassischen“ Kategorien unterschieden:
Old Tom Gin • London Dry Gin • Distilled Gin • Compound Gin • Plymouth Gin
Eine weitere eher moderne Kategorisierungsform unterscheidet beispielsweise nach:
Dry Gin • London Dry Gin • New Western Dry Gin • Old Tom Gin • Reserve Gin • Sloe Gin
Wer ist Old Tom und kommt ein London Dry Gin immer aus London?
Old Tom Gin
Der sog. Old Tom Gin hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert und zeichnet sich durch eine leichte Süße aus. Der Name „Old Tom Gin” rührt angeblich von Holztafeln her, die die Form einer schwarzen Katze hatten (dem sog. „Old Tom„), welche an der Außenseite von einigen englischen Pubs im 18. Jahrhundert montiert waren. Dieser „Retro-Gin“ fristet zwar immer noch ein Schattendasein findet aber zunehmend sein Comeback in die guten Gin Bars dieser Welt.
London Dry Gin
Bei dem London Dry Gin handelt es sich NICHT um einen Gin, der seine Ursprungsbezeichnung im Namen trägt und deshalb notwendigerweise aus London kommen muss. Vielmehr handelt sich bei dem London Dry Gin um eine Qualitätsbezeichnung, da dieser Gin in Europa den höchsten Reglementierungen unterliegt. Dieser Gin wird einfach – unter Zugabe verschiedener, nur natürlicher Botanicals – destilliert. Nach dem Destillationsprozess darf lediglich Wasser hinzugefügt werden. Viele Gins, die den Namen „London Dry“ tragen, sind ausgeprägt wachholderbetont.
Distilled Gin
Der Begriff distilled Gin wird häufig unterschiedlich genutzt. Zum einen kann er eine Abgrenzung zum sog. „compound Gin“ darstellen, der ganz ohne Destillation auskommt. Damit würden hierunter alle Gins zusammengefasst, die durch die sog. Mazeration („Einlegen“ der Botanicals im Reinalkohol) mit anschließender Destillation hergestellt werden. Darüber hinaus wird mit dem Begriff „distilled Gin“ im Grunde der gleiche Herstellungsprozess wie beim London Dry Gin beschrieben, mit der Ausnahme, dass entweder während und/oder nach dem Destillationsprozess zusätzliche Zutaten hinzugefügt werden dürfen.
Dry Gin
Auch der Begriff Dry Gin wird häufig synonym mit dem Begriff „distilled Gin“ verwendet. Verglichen mit dem London Dry Gin dürfen als „Dry Gin“ deklarierte Produkte auch (naturidentische) Farb- und Aromastoffe hinzugefügt werden – auch während und /oder nach dem Destillationsprozess. Ebenso wie beim London Dry darf auch beim Dry Gin der Zuckergehalt 0,5 Gramm pro Liter (gerechnet auf das Endprodukt) nicht übersteigen. Dry Gin muss im Übrigen mindestens doppelt destilliert werden.
Compound Gin
Compound Gin kommt in der Regel gänzlich ohne einen Brenn- bzw. Destillationsprozesse aus. Im Grunde genommen werden hier Botanicals, Zutaten und Geschmacksstoffe in einem möglichst neutralen Alkohol (beispielsweise. Wodka) eingelegt und nach einer bestimmten Zeit wieder entfernt.
Plymouth Gin
Bei dem Plymouth Gin handelt es sich, im Gegensatz zum London Dry Gin, in der Tat um eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Heute gibt es allerdings nur noch eine Destillerie (die Black Friars Destillery), die den Plymouth Gin im Südwesten Englands nach dem ursprünglichen Rezept produziert.
Sloe Gin
Sloe Gin ist im engeren Sinne eher ein Likör als sein typischer Gin. Charakteristisch für den Sloe Gin ist seine rote Farbe, die in der Regel durch die Zugabe der Früchte, insbesondere Schlehen, (Sloe Berries) entsteht. Darüber hinaus enthält Sloe Gin in der Regel einen nicht geringen Zuckeranteil. Sloe Gin entsteht nicht durch einen Brennprozess sondern das „Ansetzen“ der Früchte im Alkohol.
Reserve Gin
Wie bei vielen anderen Getränken, so sind auch bei Gin der Kreativität der Hersteller keine Grenzen gesetzt. Dieses lässt sich bspw. am Reserve Gin ablesen. Um dem Gin besondere Aromen (und auch farbliche Konturen) zu geben, wird der Gin in Holzfässern (beispielsweise Whiskey, Rum oder Brandy) ausgebaut. Leider verliert der Gin durch die Lagerung einige seiner typischen Charakteristika bzw. diese werden durch die nicht unerheblichen Barrique-Noten überlagert. Ob sich dieser neue Trend durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
New Western Gin
Der Begriff New Western Gin umschreibt moderne Gins, bei denen das klassische und dominante Wacholderaroma zugunsten anderer Botanicals in den Hintergrund tritt. Diese Art der Gins soll insbesondere der hohen Kreativität und dem Ideen- und Abwechslungsreichtum von jungen und neuen Brennereien Rechnung tragen.
Gin auf der Zunge – der Versuch einer geschmacklichen Kategorisierung
Während die oben aufgeführten Kategorien im Wesentlichen historisch, regional oder produktionstechnisch begründet sind, lassen sie, mit wenigen Ausnahmen, jedoch nur bedingt Rückschlüsse in Bezug auf den Geschmack von Gin zu. Aber ist es nicht gerade der Geschmack eines Gins, der in besonders macht, der etwas über seinen Charakter preis gibt und der uns wissen lässt, ob er unser Favorit wird oder nicht? Doch hier fängt dann auch das Dilemma an. Viele Versuche von geschmacklichen Kategorisierungen reichen einfach nicht weit genug, andere sind zu komplex und für den Laien unbrauchbar.
Dies war für uns Grund genug „selber Hand anzulegen“ und mit der Unterstützung von Freunden, Bekannten und Gin-Kennern etwas Neues aus der Taufe zu heben.
CAMY-Gin-Scale
Die CAMY-Gin-Scale ist ein Versuch sowohl verschiedene Geschmacksdimensionen eines Gins abzubilden, gleichzeitig aber auch in Vier-Hauptkategorien (Conservative – Adventerous – Masculine – Youthful) einen Gin generell zu charakterisieren. Dabei gibt es jeweils fünf Ausprägungen, die sich als sehr schwach, schwach, mittel, stark und sehr stark darstellen.
Bei den verschiedenen Geschmacksdimensionen haben wir 12 Subkategorien herausgearbeitet, welche sich beispielsweise als „frisch“, „süß“ oder „floral“ darstellen aber auch einzelne Geschmacksnoten wie bspw. „Wachholder“, „Anis“ oder „Zitrone“ umfassen können.
Natürlich soll diese Skala als Hilfestellung verstanden werden und kann keine exakten Werte liefern, denn auch hier gilt wieder: Geschmäcker und ihre Ausprägung werden unterschiedlich wahrgenommen. Darüber hinaus sind einige Geschmacksdimensionen mit einer gewissen Subjektivität verbunden. Nicht jeder empfindet beispielsweise die Geschmacksdimensionen „harmonisch“ oder „anhaltend“ auf die gleiche Art und Weise. Gleiches gilt im Übrigen auch für „körperreich“ und „frisch“.
Übrigens, die „CAMY-Gin-Scale“ kann auch eine Hilfestellung sein, wenn es um die „Weiterverarbeitung“ von Gin beispielsweise als G&T oder Cocktail geht. Je nach Ausprägung des Cocktails oder Tonics (bspw. klassisch, süß oder zitronig) könnt ihr auch den korrespondierenden Gin auswählen.
Gin Tasting
Tipp: Gins sollten immer pur kategorisieren werden, also ohne Zusatz von Tonic oder anderen Zutaten. Dabei ist 1cl Gin in einem kleinen Becherglas völlig ausreichend. Bevor ihr probiert, solltet ihr den Gin unbedingt erst riechen. Ihr werdet überrascht sein, dass sich bei vielen Gins die Nasen- und Zungenwahrnehmung erheblich unterscheiden. Beim Probieren kann es hilfreich sein, dem Gin einige Tropfen stilles Wasser hinzuzufügen. Dieses unterstützt, die alkoholische Komplexität aufzubrechen und stärker in die Geschmacksdimensionen abzutauchen.
Um euch zukünftig eine Hilfestellung bei eurer persönlichen Suche eines Lieblingsgins geben zu können, werden wir nach und nach einige bekannte, interessante, besondere aber auch spezielle Gins für euch verkosten und kategorisieren. Wie bereits angesprochen geht es hierbei nicht um gut oder schlecht sondern lediglich um die Einordung in die oben vorgestellte „CAMY-Gin-Scale“.
In einem ersten Schritt werden wir uns ganz patriotisch, den Münchner Gins widmen – seit gespannt.