10 wichtige Fakten, die jeder Gin-Fan kennen sollte

Wann ist ein Gin „dry“ und was die beste Gin und Tonic-Kombination? In den vergangenen 6 Jahren sammelte ich Fragen, die uns Gin-Fans schickten. Verpackte sie so, dass sie Antworten lieferten und auch Fortgeschrittenen noch einen Mehrwert liefern. Denn wer weiß schon, warum moderner Gin so teuer ist? – (Ein Gastbeitrag von Philip Reim)

Es war im Sommer 2015. Den genauen Monat habe ich vergessen. Ich glaube, es war Juni oder Juli. In einer Zeit, mitten im aktuellen Gin-Hype. Eine Zeit, in der sich Gin-Marken und vermeintliche Gin-Experten scheinbar ein inoffizielles Rennen lieferten. Welche der beiden Gattungen schafft in kürzester Zeit die meisten Ableger. Dabei schien Qualität mehr eine Option als eine Grundlage.

Selbst wenn ich mich nicht mehr an den Tag noch die Uhrzeit erinnere, vergesse ich nicht das Highlight jenes Tages. Jenes Szenario fasste perfekt die Problematik einer viel zu schnell gewachsenen Spirituose zusammen: Unvermögen und Show.

Neben uns in der Bar nahm ein Pärchen Platz. Beide Mittzwanziger. Es begann mit einem Negroni und endete bei Gin im Purgenuss. Das Gesprächsthema: Gin. „Den hier müssen wir trinken. Der Monkey 47 wird mit 47 Zutaten gemacht, deswegen ist er so gut. Du hast ihn noch nicht probiert? Musst du….ist der Beste.“

In den vergangenen 6 Jahren schien plötzlich jeder Dritte einer Meinung zu Gin zu haben. Die vergangenen 20 Jahre Gin nicht auf dem Schirm, jetzt ein Guru.

Ich mache jenem Gast keinen Vorwurf. Wie auch, selbst mit größter Mühe ist es nicht mehr möglich, den Gin-Markt zu überblicken. Geschweige denn, jeden Marketing-Aufruf zu hinterfragen. Ich beschäftige mich täglich mit Spirituosen-Trends und Gin-Themen und selbst ich habe den Anschluss verpasst. Es ist einfach nicht mehr möglich.

Da fühlt es sich schon fast wie eine Wohltat an, wenn ein Gin wie der Monkey 47 überall mit Lorbeeren überschüttet wird. Er wurde zu einer Konstante in einem Meer aus Variablen. Und spätestens seit Aldi Süd ihn ins Prospekt gepackt hat, hat er auch die letzten Kunden erreicht.

Gerade dieses Durcheinander führt bei Gin-Fans zu Ratlosigkeit. Nicht nur bei der Frage nach dem nächsten Gin, sondern auch grundlegende Aspekte. Diese 10 Fragen erhielt ich in den vergangen Monaten am häufigsten:

1.) Gin & Tonic: Welches solch ich nehmen?

Die Antwort auf diese Frage ändert sich just in dem Moment, in dem neuer Gin oder neues Tonic Water den Markt betritt. Und das ist sehr schnell. So ist die einzige passende Antwort auf diese Frage wahrscheinlich auch gleichzeitig die unbefriedigendste: Die, die dir am besten schmeckt!

Mixology – Magazin für Barkultur machte sich vor rund 2 Jahren die Mühe, 20 Gin-Marken 6 Tonics gegenüber zu stellen. Wie du die einzelnen Produkte am besten miteinander kombinierst, haben sie dann in einer Infografik zusammengepackt. In Anbetracht der Tatsache, dass es allein in Deutschland mittlerweile über 100 Gin-Marken gibt, ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber zumindest ein erster, greifbarer Wegweiser.

Mittlerweile findest du auf Websiten, die sich auf Gin spezialisieren wie z.B. Gintlemen zahlreiche jener Kombinationsvorschläge.

2.) Wo wurde Gin erstmals hergestellt?

Auf diese Frage kann man eine Antwort geben, sie wird dich aber nicht zufrieden stellen. Name, Wohnort und Datum des Erfinders kann dir keine Quelle nennen.

Denn das Problem an Gin ist – so banal es klingen mag – er ist aromatisierter Vodka. Ein geschmacksneutraler Brand, der mit allerlei Früchten, Kräutern und Gewürzen verfeinert wurde. Anschließend nochmal destilliert. Fertig.

Und diese Praktik, Bränden Aromen zu verleihen, ist so alt wie die Spirituose selbst. Jene Aromatisierung fand bereits statt als Gin oder Vodka noch gar keine Genussmittel, sondern lediglich Arzneimittel waren.

Bereits um das Jahr 1.000 herum fanden Kräuter wie Wacholder in Alkohol Anwendung als Heilmittel.

Um dir allerdings doch einen erste grobe Orientierung über die Ursprünge von Gin zu geben:

Wacholder zu Genusszwecken einzusetzen, lässt sich heute bis zum Count de Moray, dem Sohn Königs Heinrich IV von Frankreich, zurückverfolgen. Aus jenem Wacholderwein entwickelte sich womöglich der niederländische Genever und aus ihm der britische Gin.

3.) Warum ist Gin Tonic blau?

Gin Tonic ist nicht blau. Da beide Zutaten – Gin und Tonic – farblos sind, ist es deren Mischung auch. Zumindest, in dem für uns sichtbaren Licht.

Es gibt allerdings 2 Möglichkeiten wie dein Glas Gin & Tonic leicht blau schimmert. Zum einen kannst du ihn direkt ins Sonnenlicht halten.

Der Grund ist das ultraviolette Licht, das von der Sonne ausgesendet wird. Dieses trifft in einem G&T auf das Molekül Chinin. Diese chemische Verbindung entzieht dem ultravioletten Licht Energie und wandelt es dadurch in für uns sichtbares blaues Licht um.

Die zweite Möglichkeit ist eine Schwarzlicht-Lampe: Nimm nur das Tonic und halte es unter diese.

4.) Muss Gin so teuer sein?

Ich glaube es war 2012. Der Gin-Boom nahm gerade richtig Fahrt auf, und mit ihm die hohen Preise. Damals sagte ein deutscher Gin-Hersteller unter 4 Augen einen bedeutenden Satz zu mir: „Philip, ich weiß, dass unser Gin viel zu teuer ist. Wir hatten noch nie ein Produkt mit einer solch hohen Marge. Das steht überhaupt nicht mehr in Relation zur Herstellung. Aber es funktioniert. Die Kunden reissen uns das Ding aus den Händen.“

Dieser Satz verdeutlicht die Wahrheit, die traurige Wahrheit. Diejenigen, die am meisten unter den hohen Preisen leiden, sind die, die ihn kontinuierlich antreiben: Die Kunden.

Viele lechzen nach Lifestyle-Destillaten in schmucker Verpackung. Das darf dann auch nicht billig sein. Und ein Unternehmer bzw. Hersteller begegnet einer solchen Einstellung mit Kusshand. Verständlich.

Hinsichtlich der Qualität gibt es aber keinen Grund, der 500ml Gin für 30 Euro oder mehr rechtfertigt.

Solltest du das nächste Mal also vor dem Händlerregal stehen und dich fragen, welcher der nächste ist, halte dich an folgende Faustregel: Hochwertiger Gin mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis findest du meist im Bereich 27 bis 35 Euro à 0,5 Liter.

5.) Wie soll ich Gin trinken?

Gin lebt von seiner Vielseitigkeit in Cocktails. Nimm allein diese 2 Cocktails:

Negroni: Hier zeigt Gin, dass er seine Aromen zurückhalten kann und anderen Zutaten die aromatische Bühne überlässt.

Gin & Tonic: Dieser 2-Kompenenten Drink steht und fällt mit der Qualität und Aromatik des Gins.

Die Konsequenz: Gin gilt vielen Bartendern als wichtigste Spirituose, als wichtigstes Arbeitsmaterial, als „Parfüm der Bar“.

Verzichtest du allerdings auf weitere Zutaten, willst deinen Gin pur genießen, dann gehe folgendermaßen vor. Gib ihm 1 bis 2 Minuten Zeit zu atmen. Am besten trinkst du ihn bei einer Temperatur von rund 18 Grad und im Nosing-Glas.

6.) Wie läuft die Herstellung von Gin ab?

Du nimmst Neutralalkohol, meist aus Getreide hergestellt. Aromatisierst diesen mit diversen Kräutern, Früchten und Gewürzen, so genannten Botanicals bzw. Drogen. Anschließend destillierst du.

Kurz und knapp gibt dir dies einen Überblick über die Gin-Herstellung. Die theoretische Gin-Herstellung. Leider aber noch nicht die praktische. Denn so verführerisch einfach es im ersten Moment klingt, so viel Expertise benötigt am Ende die tatsächliche Herstellung.

Soll der Basisalkohol aus Getreide oder doch lieber aus Früchten hergestellt werden? Sollen die Botanicals stundenlang mazeriert werden oder doch lieber dampfinfundiert? Nachzuckern ja, nein?

7.) Trinkt man Gin Tonic mit Gurke?

Einen Gin Tonic mit Gurke zu servieren, ist nicht zwingend nötig. Bei vielen Gin und Tonic-Kombinationen sogar unpassend, da die Gurke nicht in das Aromenprofil der anderen Zutaten passt.

Auch wenn dünne Gurkenscheiben eine dezente Frische in den Drink bringen können, basiert die Kombination Gin und Gurke auf einem Marketing-Konzept.

Um sich vom Gros der damals verfügbaren Gins abzuheben, suchten die Macher des Hendrick’s Gins 1999 etwas Ausgefallenes. Das Ziel war es nicht einen Gin zu kreieren, der jeden Kunden auf Anhieb begeistert. Herauskommen sollte ein Tropfen, an dem „sich die Geister scheiden“. Er sollte nicht jedem munden, aber er sollte auffallen. Also entschieden sich die Brennerei und die zuständige Agentur für 2 Zutaten, die für Gin bis dato außergewöhnlich waren: Damaszener-Rosen und Gurken.

Um diese Extravaganz dann auch werbewirksam zu präsentieren, wurden diverse Hendrick’s Drinks mit Gurken serviert. Eine Marketing-Idee, die sich zum Trend entwickelte.

8.) Wie lange kann ich Gin lagern?

Unbegrenzt. Zumindest so lange du die Flasche nicht öffnest. Aufgrund des hohen Alkoholgehalts tötet Gin jegliche Bakterien und Pilze ab.

Das heißt, Mikroorganismen, die Lebensmittel verderben. Daher hat Gin auch kein Haltbarkeitsdatum.

Nach rund 6 Monaten bis 3 Jahren kann, kann der Gin allerdings „aromatisch kippen“. In erster Linie dann, wenn die Flasche zum Großteil bereits geleert wurde, also viel Luft enthalten ist. Der Sauerstoff darin verändert das Destillat. Meist zu seinem Nachteil. Kann, muss aber nicht.

Du erkennst dies häufig daran, dass der Gin an Komplexität eingebüßt hat und der Alkohol deutlich schärfer hervortritt.

9.) Kommt London Gin immer aus London?

Nein. „London Gin“ ist keine geographische Bezeichnungen, die rechtlichen Vorgaben unterliegt. So kann sich ein Bielefelder Gin auch Hamburg Dry Gin nennen. Macht aus Marketing-Sicht nur wenig Sinn.

Anders ist dies bei „London Gin„. Auch dieser darf in jedem kleinen Dorf weltweit hergestellt werden. Laut der EU-Spirituosenverordnung unterliegt er jedoch gewissen Produktionsvorgaben.

10.) Was bedeutet „Dry“ bei Dry Gin?

Diese Frage landete häufig bei mir im Email-Postfach.

„Dry“ bezieht sich nicht darauf, ob es flüssig oder trocken ist, sondern „trocken“ oder gesüßt.

Im Jahr 2014 gab es eine Wende bei der Gin-Produktion. Bis dato hatten Gin-Hersteller beim Begriff „Dry“ freie Hand. Er war gesetzlich nicht definiert.

Dennoch galt: Wer „Dry“ verwendet, wollte ausdrücken, dass sein Gin nicht stark gesüßt ist. „Dry“ sollte das Produkt abgrenzen von anderen Gin-Varianten wie Old Tom.

„Dry“ war jedoch nie ein rechtlich definierter Begriff. Was der Hersteller daher unter „trocken“ verstand, oblag nur ihm. Seit 2014 ergänzte der Gesetzgeber die EU-Spirituosenverordnung diese jedoch um den Begriff „Dry“. Seither dürfen jene Gins nur noch 0,1 Gramm Zucker auf 1 Liter Destillat aufweisen. Wie beim London Gin.

 

Philip Reim schreibt seit 2010 auf seinem Blog eyeforspirits.com über High End-Spirituosen wie Single Malt Scotch Whisky, Cognac, Rum, Gin oder Bourbon Whiskey. Er schrieb eine Examensarbeit zum Thema „Chemie des Whiskys“ und dass er da wirklich Ahnung hat kann man in all seinen Artikeln lesen. Ganz besonders kann ich Euch den Artikel „Der große Whisky-Leitfaden“ empfehlen. Danach wisst ihr alles was es zu dem Thema zu wissen gibt.