Der Blick in die Kristallkugel oder besser gesagt in das Kristallglas
Wir Food-, Drink- und Barblogger erheben nicht den Anspruch den Stein der Weisen gefunden zu haben und alle gustatorischen Trends antizipieren zu können. Wer sich allerdings intensiv und über einen längeren Zeitraum mit einem bestimmten Thema auseinandergesetzt hat, darf auch schon mal so anmaßend sein, einen Blick in die Zukunft werfen zu wollen. Visionäre werden wir dadurch nicht und ein Maß an Unschärfe schwimmt natürlich immer mit.
Stein des Anstoßes für den „flüssigen Ausblick 2018“ war ein Besuch in Münchens alteingesessener und immer gut besuchten Pusser’s Bar – ich neige hier schon fast dazu den Begriff „Cocktailinstitution“ zu benutzen aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel. Gute Drinks, wie sie zweifelsohne im Pusser’s serviert werden, helfen manchmal mit anderen Barbesuchern ins Gespräch zu kommen. So geschehen vor einigen Wochen. Drei coole Jungs hatten mich auf einen Drink eingeladen und jeder weiß sofort, nichts im Leben ist umsonst. Die eingeforderte Gegenleistung erfolge auf dem Fuße in Form einer Frage, die es galt zu beantworten. „Du als Blogger weißt das doch bestimmt. Was ist denn der nächste Trend bei Drinks? Ich glaube Gin, Wodka und Rum sind ja schon fast ein bisschen out.“ Wow, nicht nur das mit Gin und Rum zwei von meinen Lieblingsdrinks quasi auf das Abstellgleis gestellt wurden, ich sollte auch noch aus dem Stegreif als Wahrsager agieren. Was ich damals spontan als Antwort gegeben habe, war vielleicht im ersten Moment ein wenig unreflektiert, hat mich aber dazu bewogen, mich genau über diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen.
Gin auf dem absteigenden Ast?
Ist Gin wirklich out und wird der Gin-Hype („don’t call it Gin craze“) 2018 deutlich abebben? Und wenn ja, was wären die ersten Anzeichen hierfür? Nun ja, wenn die Anzahl der Gin-Marken, die sich weltweit auf dem Markt befinden und neu hinzukommen, als ein Indikator für ein Abebben der Gin-Manie gesehen wird, dann ist klar zu erkennen, dass Gin seinen Peak bei weitem noch nicht erreicht hat. Allein in 2017 sind weltweit schätzungsweise mehr als 300 neue Brands bzw. Ableger von existierenden Gin-Brands hinzugekommen. Dies unterstreicht im Übrigen auch eine Studie von Euromonitor International, die annimmt, dass der Gin-Ausstoß im Jahr 2017 um 20 Millionen (!!!) Liter gewachsen ist.
Ich kann euch also beruhigen, auch in 2018 wird Gin seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben und wir bei omoxx werden unserem Lieblingsgetränk auch nach wie vor viel Aufmerksamkeit und Liebe schenken. Interessant ist vor allem, dass neue Länder, wie beispielsweise Japan, Thailand, Südafrika und Südamerika zunehmend auf den Gin Trend aufspringen (produktions- als auch konsumtechnisch). Etablierte Regionen (wie bspw. UK, Deutschland, Spanien und die USA) werden noch experimentierfreudiger. In vielen Regionen gibt es für die großen Brands mittlerweile ein Sättigungsverhalten, teilweise auch dadurch bedingt, dass mehr und mehr regionale, sogenannte „Small Batch“ Anbieter in den Markt drängen. Generell wird sich hier langfristig der Qualitätsgedanke durchsetzen, wobei teuer nicht immer gleich hochwertig oder gut bedeuten muss. Ich persönlich sehe bei Gin für 2018 und die nachfolgenden Jahre zunehmend Potenzial für die Herstellung und den Vertrieb von:
- Old Tom Gins
- Barrel Aged Gins
- Distillers Cut Gins
- Fruchtig ausgebaute Gins
Dies heißt im Übrigen nicht, dass ich alle Trends und Entwicklungen, die es beim Gin gibt, gut finden muss aber ich repräsentiere auch nicht den internationalen Markt und die Marktnachfrage.
Highlands, Osaka oder Martinique?
Zugegebener Maße ich bin nicht der größte Whiskey-Fan (und dementsprechend auch nicht Experte) („Ich schon!“ Anm. des Administrators) aber wenn es eine Spirituose gibt, der ich echten Respekt zolle, dann dem Whisky. Kaum eine andere Spirituose hat es in den letzten über 50 Jahren geschafft sich so weiterzuentwickeln, ja sich irgendwie neu zu erfinden – beständig aber kontinuierlich. Und seit den letzten ca. 10 Jahren erlebt Whisky sogar eine echte Renaissance, die nicht nur von schottischen und irischen Brennereien initiiert wurde sondern auch maßgeblich von Destillerien aus Japan und den USA mitgetragen wurde. Ja und selbst wir Deutschen (eigentlich sollte ich sagen wir Bayern) können stolz sein, denn mit Slyrs haben wir mittlerweile auch eine Whisky Destillerie, die nicht nur regional eine Rolle spielt. Im Gegensatz zu beispielsweise Gin braucht man für Whisky vor allem eins: Geduld, denn ein guter Whisky reift eine lange Zeit im Holzfass. Deshalb investieren junge oder neue Brennereien erst einmal ohne einen echten unmittelbaren ROI (Return on Investment) zu sehen.
Gar keine Frage auch in 2018 wird der Single-Malt eine immer noch herausragende Bedeutung beim Whiskey Absatz spielen und bei prämierten Marken (vor allem bei denen aus Japan) wird auch hier die Nachfrage wieder größer sein als das Angebot. Zunehmend sollte allerdings auch ein Auge auf Bourbon und Rye Produzenten geworfen werden, die vor allem aus den USA und Kanada kommen. Insbesondere kleinere, sogenannte Craft-Distillers sind sehr umtriebig und produzieren mittlerweile zunehmend hochwertige Qualität. Ähnlich wie bei Gin gilt auch bei Whisky für die nächsten Jahre zunehmend Klasse statt Masse.
Deshalb ist Rum der neue Gin
Eine Woche vor Weihnachten gab es im Online-Portal vom Stern etwas Interessantes zu lesen: „Deshalb ist Rum der neue Gin“. Diese Überschrift weckte natürlich mein Interesse, da ich nicht nur ein großer Gin Fan bin sondern auch Rum (und ich rede hier nicht von Bacardi) sehr gerne trinke. Was mich jedoch sofort stutzig machte, war der Vergleich von zwei sehr unterschiedlichen Getränkesorten. Und siehe da, wenn man das Interview etwas detaillierter las, stellte sich schnell heraus, dass es nicht um einen direkten Vergleich Gin versus Rum ging sondern vielmehr um eine generelle Werbung für Rum.
Nun Rum gibt es in vielen Ausprägungen, hat eine über 350jährige Geschichte und wird heute nicht mehr ausschließlich von Seeleuten und Piraten konsumiert, das weiß schon fast jedes Kind. Aber ähnlich wie Whiskey erlebt Rum seit den letzten 10 Jahren eine Art Renaissance – natürlich in einem völlig anderen und kleinerem Ausmaß. Aufgrund der Eichenfass-Lagerung hat echter brauner Rum aromatechnisch einiges zu bieten – sofern nicht massiv mit Zuckercouleur oder Karamellsirup nachgeholfen wurde. Guter Rum, der mindestens drei Jahre in Holzfässern gelagert wurde, erscheint runder, harmonischer und ausgeglichener als die jüngeren Brüder und Schwestern.
Während in der Vergangenheit viele Rumsorten oftmals lediglich für Grog, Punch oder Cocktails verwendet wurden, liegt der Wachstumstrend des Rums aber ganz klar im puren Genuss. Ähnlich wie ein Single Malt sollte ein „alter“ Rum bei Zimmertemperatur ohne Eis genossen werden. Ein gutes Stück dunkle Schokolade kann oftmals helfen, die potenziell vorhandenen Karamell-, Kakao-, Vanille-, Orangen- und zahlreichen anderen Aromen perfekt zu unterstreichen.
Einen klaren Trend für die nächsten Jahre sehe ich im „Rhum Agricole“ (Rum aus sogenannter landwirtschaftlicher Herstellung), der lediglich aus frischem Zuckerrohsaft hergestellt wird. Dieser führte bislang eher ein Schattendasein (sein Anteil an der an der gesamten Rumproduktion beträgt nur etwa 3 %). Aufgrund seiner besonderen Aromen, die kein andere Rum, der überwiegend aus Melasse gewonnen wird, bieten kann, ist dieser R(h)um mein klarer Favorit für 2018. Eine Flasche Rhum Agricole, der auf Martinique, Guadeloupe, Haiti, Französisch-Guayana, Réunion und Mauritius produziert wird, sollte in den kommenden Jahren in keiner guten Bar (auch der privaten) fehlen.
Was Gutes aus Mexico…
Zweifelsohne sind nicht immer alle Trends, die aus den USA zu uns herüberschwappen, gut. Erstaunlicherweise ist das Thema „Tequila und Mezcal“ bislang weder in Deutschland noch in Europa wirklich angekommen. Ich rede hier im Übrigen nicht von Tequila- und Mezcal-Sorten, die entweder einen Hut tragen oder sich einen Wurm zu eigen gemacht haben, sondern „the real good stuff“, der schon seit einigen Jahren in den USA hyped.
Dass dieser Trend bei uns noch nicht wirklich angekommen ist, könnte vielleicht auch mit der regionalen Nähe von Mexico zu den USA argumentiert werden. Eigentlich ist dies aber Quatsch im Zeitalter einer globalen, vernetzten Wirtschaft aber vielleicht wird Europe für die Mexikaner interessanter, wenn erst die Trumpsche Mauer steht.
Grundsätzlich ist es sehr Schade, dass „echter“ Tequila und Mezcal noch nicht wirklich den Weg zu uns gefunden haben, denn die Zeiten, bei dem minderwertiger Fusel mit Zitrone und Salz runter gekippt werden, sind irgendwie vorbei. Dass es bei dem Agavenschnaps mittlerweile echte genußtechnische Highlights gibt sollte unbedingt herausgestellt werden.
Übrigens Tequila stellt eine Unterart vom Mezcal dar. Dieser wird in der Umgebung der gleichnamigen Stadt im mexikanischen Bundesstaat Jalisco gebrannt. Der Hauptproduktionsort für Mezcal ist die Region um die Stadt Oaxaca. Während Tequila ausschließlich aus der sogenannten „blauen Agave“ hergestellt wird, können beim Mezcal 36 kultivierte, wilde Agavenpflanzen zum Einsatz kommen. Übrigens guter Tequila und Mezcal wird ähnlich wie Whisky und Rum in Eichenfässern gealtert. In 2015 wurden 2,4 Millionen Liter Mezcal produziert, verglichen mit Tequila eine verschwindend geringe Zahl (228.5 Millionen Liter). Wenn ihr ein wenig mehr zu dem Thema „Mezcal“ (und auch Tequila) erfahren wollt, dann solltet ihr unbedingt QUARTZ Obsession besuchen (https://qz.com/email/quartz-obsession/1117818/).
Ob und wann dieser für mich wünschenswerte Trend zu uns kommen wird bleibt abzuwarten, in den USA hält er zumindest weiter an( https://vinepair.com/articles/2018-drinks-trends/).
CIDER und Craft Beer
Zugegebenermaßen ich stehe auf Cider und auf Craft Biere (speziell im Sommer). Ein gutes Pale Ale oder IPA (Indian Pale Ale) mit seinem kräftigen, intensiven Geschmack und einer oftmals sehr fruchtigen Note stellt für mich einen super Begleiter für viele Gerichte dar – speziell die vom Grill. In 2017 soll alleine in den USA die Zahl der Craft Brauereien die Zahl von 6.000 überschritten haben. Zur Erinnerung: in 2012 waren es hier gerade mal ca. 2.400 (https://www.brewersassociation.org/statistics/number-of-breweries/). Dies stellt natürlich erst einmal ein unglaublichen Wachstumstrend dar. Der Craft Bier Trend ist natürlich auch schon seit einiger Zeit in Europa angekommen und mehr und mehr Brauereien setzen auf steigende Individualität. Einen ähnlichen, wenn auch viel schwächeren Trend sehen wir bei Cider, der in den letzten fünf Jahren einen regelrechten Relaunch erfahren hat und es ist wieder hip, sich in einer Bar das apfelvergorene alkoholische Getränk zu bestellen. Global gesehen wird deutlich mehr als die Hälfte vom Cider in Europa konsumiert (an der Spitze UK, gefolgt von Spanien, Frankreich und Deutschland).
Allerdings glaube ich, dass sowohl Craft Biere als auch Cidre ihren Zenit erreicht haben und wir in den nächsten Jahren eher eine rückläufige Tendenz im Konsum und Absatz sehen werden. Dies gilt zumindest für Europa und den nordamerikanischen Markt. Für Asien besteht jedoch noch ein gewisses Wachstumspotenzial.
Mein Favorit aus Japan
Neben der Herstellung von überaus gutem Whisky und Bier, ist Japan vor allem auch für Sake bekannt. Wenn es nach mir gehen würde, dann sollte Sake ganz oben auf der weltweiten Getränkeliste stehen, aber es geht nun mal nicht nach mir und somit führt Sake weiterhin, abgesehen von wenigen Ausnahmen, eher ein Schattendasein. Ich werde trotzdem nicht müdes diesem vielfach unterschätzen Getränk (ich vermeide bewusst den Begriff Reiswein) meinen Respekt zu zollen und es immer wieder als hippes, kultiges und einfach nur gutes Getränk anzupreisen. Und nur damit wir uns richtig verstehen, ich rede hier von wirklich hochwertiger Premium Sake (Honjozo-shu, Ginjo-shu, Daiginjo-shu, Junmai-shu, Junmai Ginjo-shu und Junmai Daiginjo-shu). Sake ist nicht nur eins der ältesten Getränke der Welt (ca. 1.700 Jahre alt), für mich ist es auch das am meisten unterschätze Getränk der Welt – sehr aufwändig im Produktionsprozess, extrem vielschichtig im Geschmack. Hoffnung gibt mir, dass mittlerweile neben Japan (und einige Teile Asiens) auch der nordamerikanische Markt sein Faible für Sake (wieder-) entdeckt hat und dass auch europäische Spitzenköche wie Tim Raue das Getränk der Götter mit auf der Getränkekarte haben.
Neben der klassischen Premium- Sake, die in der Regel gekühlt genossen werden sollte, findet man heute auch zunehmend Aged Sake, Namazake (nicht-pasteurisierte Sake) und Sparkling Sake. Letztere stellt im Übrigen eine tolle Alternative zu Champagner dar.
Für mich stellt Sake auch in 2018 ein wichtiges Trendgetränk dar und wenn ihr mal etwas Besonderes ausprobieren wollt, dann kauft euch in diesem Jahr eine gute Flasche Sake (bspw. Ginjo oder Junmai) am besten online. Viele Sake-Flaschen im Asia-Shop haben ihr besten Zeiten schon hinter sich (auch Sake hat ein Verfallsdatum) oder verkaufen minderwertige Sake.
Wenn ihr euch etwas intensiver mit dem Thema „Sake“ auseinander setzen wollt, dann empfehle ich euch zwei Bücher. Ersten, „Sake Confidential“ von John Gautner (in englischer Sprache) und zweitens, „SAKE – Elixier der japanischen Seele“ von Yoshiko Ueno-Müller.
Qualität über Quantität
Es sieht so aus als wenn das Thema Qualität endgültig auch in der alkoholischen Getränkewelt angekommen ist. Small Batch Destillieren und Craft Bier Brauereien stellen hierfür wichtige Indikatoren dar. Heute ist es wieder in, Produkte von regionalen Anbietern zu kaufen. Einige von ihnen, wenn sicherlich nicht auch alle, werden neben den Großkonzernen bestehen können und mit innovativen Getränken und Spirituosen, den Markt bereichern. Mangelndes Investitionsvermögen wird mit einem großen Maß an Kreativität, Willen und „verrückten“ Marketingmaßnahmen überbrückt. Dieser Trend hat 2018 und weit darüber hinaus Bestand.
Fazit
Gin wird zweifelsohne auch in 2018 seine Erfolgsgeschichte fortsetzen. Neue Länder, neue verrückte Ideen werden auf den Plan treten. Auch Whisky wird in 2018 seine Erfolgsgeschichte fortschreiben und vielleicht sehen wir bei Bourbon und Rye Whisky interessante Entwicklungen. Die Erfolgsgeschichte von Rum ist noch nicht endgültig geschrieben; mit dem Rhum Agricole könnte sie eine interessante Ergänzung finden. Cidre und Craft Biere werden auch in 2018 einen hohen Stellenwert in der Getränkewelt haben, ich glaube allerdings, dass ihre Bedeutung eher rückläufig sein wird. Bei Sake, Tequila und Mezcal würde ich mir wünschen, dass sie in Deutschland und Europa einen höheren Stellenwert erlangen würden, mein Bauchgefühl sagt mir jedoch, dass sie weiterhin eher eine sehr kleine Nische besetzten werden, aber auch das ist kein Drama. Ich persönlich glaube, dass der Getränke Connaisseur noch stärker auf Qualität als denn auf Quantität setzen wird.
In diesem Sinne: „Prost 2018“
Übrigens wenn ihr euch selber über diesjährigen „flüssigen Trends“ Gedanken gemacht habt und diese mit uns teilen wollt: wir freuen uns auf euer Feedback! Euer omoxx Team Thomas und Joerg