Tag 1 – Freitag
17:00h Büro:
Ich werde langsam unruhig an meinem Schreibtisch. Mein Metzger hat – es sei ihm gegönnt, nur bis 18:00 Uhr geöffnet, und ich brauche heute noch unbedingt eine Schweineschulter. Das Fleisch muss bis zum nächsten Abend mindestens 24 Std. lang in einer Trockenmariande (Rub) marinieren. Ich schreibe meine letzte Mail, verabschiede mich bei meinen Kollegen und laufe zur S-Bahn.
17:45 Metzger meines Vertrauens:
Auf dem letzten Drücker schaffe ich es in den Laden. Die Auslage ist schon abgebaut, es wird geschrubt und geputzt. – Eine Schweineschulter brauch ich, mindestens 2 kg.
- 2,5 kg Schweineschulter
Was ich den machen will, frägt mich mein Metzger. Ich sag ihm, dass ich Pulled Pork machen will. Pulled Pork kennt er nicht. Ich erklär ihm, dass ich das Fleisch 20 Stunden bei sehr kleiner Hitze indirekt grillen werde… (!)
Jetzt habe ich die ungeteilte Aufmerksamkeit aller anwesenden. Die Meinungen gehen auseinander. Das geht nicht, das wir trocken meinen die einen – ob ich den wisse was ich da tue meinen die anderen. Eine Kundin die noch da ist erkundigt sich nach meinem Grill – so schnell kommt man ins Gespräch!
- FÜR DEN RUB:
- 3 EL brauner Zucker
- 7 EL Paprika edelsüß
- 4 EL schwarzer Pfeffer (frisch gemahlen!)
- 3 EL Salz
- 2 EL Cayenne Pfeffer
- 1/2 EL Kreuzkümmel
- 100ml Dijon Senf
19:00 Es geht los:
Die Küche ist nach dem Abendessen aufgeräumt, jetzt darf ich ran.
Als erstes mache ich mir eine ordentliche Portion Rub (Gewürzmischung). Dann wird das Fleisch rund herum kräftig mit Senf eingeschmiert. Der Senf hilft, dass der Rub am Fleisch kleben bleibt. Hier heißt es jetzt klotzen nicht kleckern. Später wenn das Fleisch fertig ist wird vor allem diese äußere Schicht für den Geschmack zuständig sein.
Die gepuderte Schweineschulter wickle ich in Frischhaltefolie. Um ganz sicher zu gehen, dass ich auch die maximale Ausbeute an Geschmack im Fleisch habe vakuumiere ich das Ganz auch noch. Jetzt ist erst mal Feierabend. Bis morgen Abend bleibt das Fleisch im Kühlschrank und kann durchziehen. Die Aromen ziehen dabei ein paar Millimeter in das Fleisch ein und ergeben eine später die würzige Kruste.
Tag 2 – Samstag
Vormittag
Es beginnt das große Warten. Was soll man auch tun wenn das Fleisch im Kühlschrank ruht – dann ruh ich mich eben auch aus. Ich geh auf den Markt und hol mir einen schönen Spitzkohl. Daraus mach ich morgen den Krautsalat.
Nachmittag
Es ist wie an Weihnachten. Warten auf das Christkind. Der Nachmittag zieht sich. Damit ich irgendwas tun kann schrub ich den Grill und bestück ihn mit Kohle. Dazu platziere ich in der Mitte eine große Aluwanne die später mit Wasser gefüllt wird. Außen herum schichte ich eine Lage Kohlebrikets auf. Die Kohle werde ich am Abend an einem Ende anzünden so dass sie mindestens 3-4 Stunden langsam abbrennt. Auf die Kohle kommen gewässerte Holzchips, diese sorgen für den Rauch.
19:30 Feuer frei:
Los geht’s. Im Anzündkamin glühen zwei handvoll Kohlebrikets vor. Die Aluschale wird mit Wasser gefüllt, das hilft die Temperatur stabiler zu halten und verhindert auch dass das Fleisch austrocknet. Die Temperatur sollte 120°C nicht übersteigen – da ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt.
Der große Augenblick. Die Schweineschulter wird vorsichtig ausgewickelt. Über Nacht ist der Rub wieder feucht geworden, was aber normal ist. Jetzt noch das Bratenthermometer an der dicksten Stelle einstechen und ab mit dem Prachtstück auf den Grill.
Die nächsten 2-3 Stunden wird das Fleisch auf dem Grill geräuchert. Länger macht keinen Sinn, da nur das rohe Fleisch das Raucharoma annehmen kann. Wenn die äußere Schicht gegart ist passiert nichts mehr – im Gegenteil, der Braten würde eher einen bitteren Beigeschmack bekommen.
Die Außentemperatur beträgt 3°C und es hat angefangen zur regnen. Ich sitze in der Küche auf der Lauer und horche auf den Alarm meines Thermometers. Immer wenn die Temperatur im Grill über 120° steigt schlägt es Alarm – und das macht es die ersten 2 Stunden alle 10 Minuten. Ich war wohl mit den Kohlen etwas zu üppig und bin nun ständig beschäftigt Kohlen heraus zu nehmen und mit Wasser zu besprenkeln damit die Temperatur nicht zu hoch steigt.
22:30 Die Nacht fängt erst an:
Ganz unmännlich werde ich langsam müde. Damit ich nicht die ganze Nacht meinen Grill bewachen muss habe ich beschlossen den Braten ab sofort im Ofen weiter zu garen. Ich habe das Glück, dass mein Herd es mit der Temperatur einigermaßen genau nimmt. Ich stelle die Temperatur auf 110°C Ober & Unterhitze ein (Heißluft würde den Braten austrocknen!) und gebe noch eine große Schale Wasser auf den Boden.
Die Kerntemperatur beträgt beim Umzug 64°C . Das ist scheinbar schon sehr viel – aber aus irgend einem Grund hat Pulled Pork die sonderbare Eigenschaft auf dem Weg zur Zieltemperatur von 90° – 95°C zwei Pausen einzulegen. Diese Pausen nennt man auch Plateau-Phase. Das erste Plateau kommt bei einer Kerntemperatur von ca. 65° C und kann gut und gerne bis zu 4 Stunden dauern. Diese Phase werde ich jetzt gemütlich verschlafen. Die zweite Plateau-Phase kommt mit ca. 78° – 82°C und dauert mit unter genau so lange. Mit etwas Glück erlebe ich die beim Frühstück.
Es ist also alle in Ordnung. Der Braten ist in der Röhre und ich darf ins Bett.
Tag 3 – Sonntag
03:00
Kerntemperatur: 72°C
09:00 Frühstück mit Bratenduft:
Kerntemperatur: 85°C Ofentemperatur: 108°C Es gibt endlich wieder was zu tun. Ab 75°C kann man mit dem sogenannten Moppen beginnen. Dabei wird das Fleisch mit Flüssigkeit weiter aromatisiert. Ich verwende zum moppen Apfelsaft mit etwas Balsamico. Man kann auch Whisky dazu geben oder Cider verwenden. Das Moppen sollte man nicht übertreiben. Jedes mal wenn man den Ofen auf macht fällt die Temperatur ab und die Zeit verlänget sich. Ich moppe absofort jede Stunde einmal. Der einize Grund warum ich nicht schon bei 75°C angefangen habe ist, dass ich da noch geschlafen hab. – Dumm gelaufen!
09:00 -13:30 Moppen – sonst nix:
Die Dramaturgie lässt in den letzten Stunden sehr zu wünschen übrig. Die Temperatur steigt im Schneckentempo und außer dem Moppen ist nichts mehr zu tun.
Um 13:00 Uhr zeigt das Thermomether eine Kerntemperatur von 92°C. Ich beschließe dass mir das reicht. Die Gäste kommen allerdings erst um 18:00 Uhr – ich bin ein ‚bischen‘ früher fertig geworden als gedacht. Aber auch das ist bei Pulled Pork normal. Niemand kann sagen wann das Fleisch die nötige Kerntemperatur erreicht hat. Manche Stücke brauchen dazu gerade mal 12 Stunden – andere lassen sich stolze 20 Std Zeit.
Das Gute ist, das man Pulled Pork sehr gut warmhalten kann. Die Qualität und der Geschmack leiden nicht darunter. Im Gegenteil, bevor es weiter geht sollte das Fleisch mindestens eine halbe Stunde, besser noch ein Stunde gut eingepackt in Alufolie ruhen. In der Zeit entspannt sich das Fleisch und der Fleischsaft verdickt sich wieder. Damit die Temperatur nicht zu sehr abkühlt lege ich auf den Boden zwei Flaschen mit heißen Wasser.
Was jetzt noch fehlt sind die Buns, der Krautsalat und die Sauce. Nach den letzten 18 Std. sind das nur noch Kleinigkeiten.
Für die Buns (Burgersemmeln) gibt es hier ein prima Rezept. Zeitaufwand ca. 2 Std
Krautsalat
- 1 Spitzkohl
- 2 EL Salz
- 1 EL Zucker
- 1 TL Kümmel
- 50 ml Öl
- 50 ml Apfelessig
Für den Krautsalat den Spitzkohl fein hobeln und mit ca. 2 EL Salz und etwas Zucker würzen. Das Kraut kräftig druchkneten bis es glasig wird und sich Flüssikeit auf dem Boden sammelt. Das Kraut 1,5 Std ziehen lassen mit 50ml Essig und 50ml Öl marinieren und etwas Kümmel dazu geben. Vor dem servieren noch mal abschmecken.
Sauce
- 220ml BBQ Sauce
- 100ml Ketchup
- 3 Essiggurke feingehackt
- Schale von 1 Biozitrone
- 1 Chili
Alle Zutaten zusammen mischen.
Das große Finale
18:00 Die Gäste sind da.
Jetzt ist es Zeit für das große Finale. Pulled Pork ist Fastfood dass eine Nacht und einen Tag braucht zum vorbereiten. Wenns dann aber fertig ist kann man damit richtig schnell viele Gäste glücklich machen. Pulled Pork ist richtig Geil!
Ich hole das Feisch aus meiner Wärmebox und packe es vorsichtig aus. Es ist immer noch warm genug um sich die Finge zu verbrennen, daher nehme ich zwei Gabeln und pulle das Fleisch. Es fällt fast von selber auseinander. Außen eine dunkle würzige Kruste, innen rosa und saftig. Vegetarier werden dem ganzen nicht viel abgewinnen können – für alle anderen ist es ein Bild für Götter.
Wichtig ist es das Fleisch gut durchzumischen, damit sich der kräftige Geschmack der äußeren Schichten mit dem saftigen Fleisch innen mischt. Je nach Geschmack könnt Ihr auch etwas von der Sauce untermischen.
Serviert wird diese Delikatesse in einer Semmel, mit Krautsalat und der Sauce.
Sollte wiedererwarten etwas übrig bleiben, so kann man Pulled Pork auch gut kalt essen.
Pulled Pork kann bis zu 20 Std brauchen – also unbedingt genügend Zeit einplanen. Es wäre fatal das Fleisch durch die Plateau Phasen prügeln zu wollen in dem man die Temperatur erhöht. Zeitlassen, relaxen – noch ein Bier trinken – das einzig wichtige ist, dass das Pulled Pork eine Kerntemper von 90 bis max. 95°C erreicht.“